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Stundung eines Pflichtteilsanspruchs nur möglich, wenn Erbe durch die Stundung in die Lage versetzt wird, den Pflichtteilsanspruch überhaupt zu erfüllen

Stundung eines Pflichtteilsanspruchs

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Stundung eines Pflichtteilsanspruchs nur möglich, wenn Erbe durch die Stundung in die Lage versetzt wird, den Pflichtteilsanspruch überhaupt zu erfüllen

Oft geraten Erben in wirtschaftliche Schieflage, wenn Pflichtteilsberechtigte – weil sie vom Erblasser enterbt wurden – ihren Pflichtteil gegenüber den Erben geltend machen. Denn der Pflichtteil, der die Mindestteilhabe des Pflichtteilsberechtigten am Erbe sichern soll, ist grundsätzlich ein Geldanspruch. Besteht der Nachlass dann größtenteils aus Immobilien oder Unternehmensbeteiligungen, sieht sich der Erbe möglicherweise zur Veräußerung des Nachlasses (oft auch unter Wert) gezwungen, um den Pflichtteilsanspruch zu erfüllen. Dies kann unbillige Härten nach sich ziehen. Es besteht daher gesetzlich die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen die Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs zu stunden. Genau dies schwebte der Beklagten im nachfolgend näher beschriebenen Fall auch vor (Teil- und Schlussurteil OLG Rostock vom 20. Juni 2019, Az.: 3 U 32/17).

Der Senat entschied, dass eine Stundung des Pflichtteilsanspruchs durch den Erben verlangt werden kann, wenn die Erfüllung des gesamten Anspruchs für den Erben aufgrund der Zusammensetzung des Nachlasses eine unbillige Härte bedeuten würde. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn die sofortige Erfüllung des Anspruchs die Aufgabe oder Veräußerung eines Nachlassgegenstandes erfordern würde, welcher für den Erben seine wirtschaftliche Grundlage bilde. Bei der Beurteilung der unbilligen Härte sind die Interessen des Pflichtteilsberechtigten angemessen zu berücksichtigen. Ist ausgeschlossen, dass der Erbe durch die Stundung in die Lage versetzt wird, den Pflichtteilsanspruch anderweitig zu erfüllen, so komme eine Stundung jedoch nicht in Betracht.

Dieser Entscheidung lag folgender, gekürzter Sachverhalt zu Grunde:
Der Erblasser ist Großvater der Beklagten. Kläger sind die zur Zeit des Berufungsverfahrens 54-jährige Tochter und der 57-jährige Sohn des Erblassers, wobei die Tochter die Mutter der Beklagten ist und der Sohn demnach ihr Onkel. Der Erblasser hat seine Kinder enterbt und die Beklagte als Alleinerbin eingesetzt. Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus einem bebauten Grundstück, das mittlerweile durch die Beklagte und ihre Familie zu Wohnzwecken genutzt wird. Die Kläger nehmen die Beklagte auf Zahlung des Pflichtteils in Höhe von jeweils EUR 29.500,- in Anspruch.

Das Landgericht hat die Beklagte dazu verurteilt, an die beiden Kläger jeweils den geforderten Pflichtteil zu zahlen. Den Antrag der Beklagten auf Stundung des Pflichtteils hat es abgewiesen. Hiergegen legte die Beklagte Berufung ein.

Die Beklagte war der Auffassung, dass die Erfüllung der Pflichtteilsansprüche eine unbillige Härte für sie bedeute, da sie jetzt mit fünf Kindern das Haus bewohne und aus persönlichen Gründen keinen weiteren Kredit erhalten werde.
Eine Veräußerung des Hauses, um die Pflichtteilsansprüche zahlen zu können, sei nicht möglich gewesen. Zwar habe es ein Kaufangebot der Eheleute Sch. gegeben, dieses sei aber nicht seriös gewesen.

Die Beklagte habe ein Bauspardarlehen über EUR 46.000,- aufnehmen müssen, um das Haus bewohnbar zu machen. Zur Zeit des Erbfalles habe es keinen funktionierende Heizungsanlage oder Stromkreislauf gegeben, außerdem seien im Haus überall Wasserschäden gewesen.

Die Beklagte gab an, grundsätzlich leistungsbereit zu sein, könne aber keinen Zeitpunkt nennen, zu welchem sie leistungsfähig sei. Ihr Ehemann sei arbeitslos. Im Jahr 2024 seien ihre Kinder aus dem Gröbsten raus, so dass sie dann erweiterte Arbeitsmöglichkeiten habe. Daher beantragte die Beklagte eine Stundung der Pflichtteilsansprüche bis zum 30. Juni 2024.

Das Oberlandesgericht hielt die Berufung der Beklagten für unbegründet.

Gemäß § 2331a Absatz 1 BGB kann der Erbe Stundung des Pflichtteils verlangen, wenn die sofortige Erfüllung des gesamten Anspruchs für den Erben wegen der Art der Nachlassgegenstände eine unbillige Härte wäre, insbesondere, wenn sie ihn zur Aufgabe des Familienheims oder zur Veräußerung eines Wirtschaftsguts zwingen würde, das für den Erben und seine Familie die wirtschaftliche Lebensgrundlage bildet. Die Interessen des Pflichtteilsberechtigten sind angemessen zu berücksichtigen. Vorliegend überwiege das Interesse der Kläger dem Interesse der Beklagten am Behalt des Familienheimes deutlich, so die Richter.

Zwar müsse das Familienheim nicht schon zum Zeitpunkt des Erbfalls die Lebensgrundlage bilden. Es genüge auch, wenn dies für die Zukunft der Fall ist. Daher sei vorliegend nicht schon allein deshalb die Stundung zu versagen, weil die Beklagte 2014, als ihre Erbenstellung feststand, das Haus noch nicht bewohnte, sondern dies lediglich beabsichtigte.

Vorliegend sei zu Gunsten der Kläger jedoch zu berücksichtigen, dass die Beklagte durch den jahrelangen Rechtsstreit bereits eine Verzögerung ihrer Auszahlungspflicht von fast fünf Jahren erreicht hatte.

Im Übrigen komme eine Stundung auch dann nicht in Betracht, wenn absehbar ist, dass der Erbe – hier die Beklagte – auch durch Stundung nicht in die Lage versetzt wird, sich jemals die Mittel zur Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs zu verschaffen. Dafür spreche vorliegend bereits die Tatsache, dass es die Beklagte innerhalb des fast fünf Jahre andauernden Rechtsstreits nicht geschafft habe, die Pflichtteilsansprüche zu erfüllen. Sie verfüge nur über Einkommen aus Elterngeld, Kindergeld und der Vergütung für eine Teilzeitbeschäftigung. Der Zeitpunkt, ab dem die Beklagte angab, leistungsbereit zu sein (30. Juni 2024), habe sie nur deshalb genannt, weil der Senat deutlich gemacht habe, dass eine unbefristete Stundung der Pflichtteilsansprüche nicht in Frage käme. Realistische Anhaltspunkte, die die Schlussfolgerung zuließen, dass die Beklagte zu dem Zeitpunkt tatsächlich leistungsfähig sein würde, habe sie hingegen in keinster Weise vorgetragen.

Auch war zu Gunsten der Kläger zu berücksichtigen, dass die Beklagte zu dem Zeitpunkt, zu dem ihre Erbenstellung feststand (2014) über ein anderes Familienheim verfügte. Eine Notwendigkeit, ein nach dem Vorbringen der Beklagten noch unbewohnbares Haus durch erhebliche Investitionen bewohnbar zu machen, bestand nach Ansicht des Senats nicht. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Beklagte einen Bausparkredit über EUR 46.000,- aufgenommen habe, ohne in Betracht zu ziehen, zunächst berechtigte Ansprüche der Kläger zu befriedigen. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass das Haus erst durch diese Aufwendungen in den Schutzbereich des § 2331a BGB gefallen ist.

Im Rahmen der vom Senat vorgenommen Interessenabwägung war weiter zu berücksichtigen, dass für die Beklagte sehr wohl die Möglichkeit bestand, das Haus zu veräußern und so die Pflichtteilsansprüche der Kläger zu erfüllen. Die Zeugenvernehmung der Eheleute Sch. habe ergeben, dass diese ein ernsthaftes Kaufangebot an die Beklagte abgegeben haben.

Letztlich haben die Richter auch dem fortgeschrittenen Alter der Kläger hinreichend Rechnung getragen. Zum 30. Juni 2024 wären diese bereits 59 und 62 Jahre alt. Es sei den Klägern nicht zuzumuten, bis zu einem solchen Alter ihre Ansprüche gegen ein Wohnbedürfnis der Beklagten in einem durchaus übergroßen Haus zurückzustellen.

Dieser Fall zeigt, dass eine Stundung von Pflichtteilsansprüchen zwar grundsätzlich möglich ist, jedoch nur unter gewissen Voraussetzungen. Ob diese tatsächlich vorliegen, bedarf einer umfassenden juristischen Prüfung. Hierbei unterstützen wir Sie gern. Auch in sämtlichen anderen Fragen rund um das Erbrecht sind wir der richtige Ansprechpartner. Wir sind per E-Mail unter willkommen@gwgl-hamburg.de oder telefonisch unter 040/300 39 86-0 für Sie da.

 

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Über die Autorin

Kristin Winkler Fachanwältin für Erbrecht und Steuerrecht

Kristin Winkler Fachanwältin für Erbrecht und Steuerrecht, LL.M.

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