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Glück gehabt: auch ein nicht mehr auffindbares Testament kann Gültigkeit haben, wenn dessen Form und Inhalt durch Beweismittel nachgewiesen werden kann.

Nachweis der Erbfolge: Gültigkeit eines nicht mehr auffindbaren Testaments

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Glück gehabt: auch ein nicht mehr auffindbares Testament kann Gültigkeit haben, wenn dessen Form und Inhalt durch Beweismittel nachgewiesen werden kann.

Das OLG Köln entschied mit Beschluss vom 19. Juli 2018 (Az.: 2 Wx 261/18, 2 Wx 266 – 270/18), dass ein abhanden gekommenes Testament nicht allein wegen seiner Unauffindbarkeit ungültig ist. Vielmehr können Form und Inhalt des Testaments mit allen zulässigen Beweismitteln festgestellt werden. Auch kann im Fall eines verschwundenen Testaments nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Erblasser es vernichtet und damit widerrufen hat.

Dieser Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der Erblasser verstarb im Mai 2016 verwitwet und ohne eigene Abkömmlinge zu hinterlassen; er hatte drei Halbgeschwister. Seine vorverstorbene Ehefrau hatte eine leibliche Tochter (nachfolgend die Stieftochter). Die Eltern des Erblassers waren ebenfalls vorverstorben.

Eines der drei Halbgeschwister beantragte beim Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins nach der gesetzlichen Erbfolge, der ihn sowie die anderen Halbgeschwister jeweils gleichanteilig zu 1/3 als Erben ausweist. Die Stieftochter trat dem Antrag zunächst nicht entgegen, so dass der Erbschein zunächst antragsgemäß erteilt wurde.

Nach anwaltlicher Beratung beantragte die Stieftochter sodann im August 2016 die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin ausweist und die Einziehung des an die Halbgeschwister erteilten Erbscheins. Als Begründung gab sie an, der Erblasser habe im Februar 2016 in Gegenwart von drei Zeugen, nämlich zwei Freundinnen des Erblassers sowie ihres Lebensgefährten, ein privatschriftliches Testament errichtet, worin er sie als Alleinerbin eingesetzt habe. Dieses Testament habe er in einer Küchenschublade abgelegt. Dort habe sie nach dem Tod des Erblassers den entsprechenden Umschlag jedoch leer vorgefunden.

Die Halbgeschwister wendeten unter Zeugenbeweis ein, dass der Erblasser dem als Zeugen benannten Lebensgefährten der Stieftochter Hausverbot erteilt habe und das Verhältnis zwischen Erblasser und Stieftochter eher distanziert gewesen sei. Die Tatsache, dass die Stieftochter zunächst gegen den von den Halbgeschwistern beantragten Erbschein keine Einwendungen erhoben habe, spreche zudem gegen die behauptete Testamentserrichtung.

Mit Beschluss vom Februar 2018 zog das Nachlassgericht den im Juni 2016 an die Halbgeschwister erteilten Erbscheinsantrag ein. Die dagegen erhobenen Beschwerden der Halbgeschwister blieben erfolglos.

Das OLG Köln entschied ebenso wie das Nachlassgericht, dass der Erblasser im Februar 2016 ein wirksames privatschriftliches Testament aufgesetzt habe, mit dem er seine Stieftochter als Alleinerbin eingesetzt hat. Ist ein Testament nicht mehr vorhanden, sei es nicht allein wegen seiner Unauffindbarkeit ungültig. Vielmehr können Form und Inhalt des Testaments mit allen zulässigen Beweismitteln festgestellt werden.

Die Tatsache, dass die Stieftochter dem zuerst gestellten Erbscheinsantrag der Halbgeschwister nicht entgegen getreten ist, führte zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Die Stieftochter habe nachvollziehbar dargelegt, als juristischer Laie nicht davon ausgegangen zu sein, dass auch ein nicht auffindbares Testament rechtlich von Bedeutung sein könne. Dies habe sie erst im Rahmen der anwaltlichen Beratung erfahren.

Der Senat stellte weiter klar, dass im Fall der Unauffindbarkeit eines Testaments auch keine Vermutung dafür bestehe, dass es vom Erblasser vernichtet worden und deshalb gemäß § 2255 BGB als widerrufen anzusehen sei. Dagegen sprächen insbesondere die Aussagen der Zeugen, die übereinstimmend angaben, der Erblasser habe noch kurz vor seinem Tod von dem Testament erzählt. Zudem erscheine es auch nicht nachvollziehbar, dass der Erblasser das Testament zwar vernichtet, den Umschlag aber in der Küchenschublade liegen gelassen haben soll.

Dieser Fall zeigt wieder einmal, wie wichtig es ist, sich bei Fragen im Zusammenhang mit Erbfällen juristisch kompetent beraten zu lassen. Oft ist juristisch ein Sachverhalt anders zu werten. Über die Auslegung einer Formulierung oder die Beweismöglichkeiten können das ein oder andere Mal andere Ergebnisse erzielt werden.

Dennoch kann auch hier nur wieder empfohlen werden, durch entsprechende Maßnahmen, den gewünschten Erben solche Verfahren zu ersparen. Es sollte möglichst dafür Vorsorge getragen werden, dass das eigene abgefasste Testament nicht plötzlich verschwinden kann.

Haben Sie Fragen zur rechtssicheren Gestaltung von Testamenten oder sind Sie gesetzlicher oder gewillkürter Erbe geworden und unschlüssig, was nun zu tun ist? Melden Sie sich gern und vereinbaren Sie mit uns einen Termin.

Über die Autorin

Kristin Winkler Fachanwältin für Erbrecht und Steuerrecht

Kristin Winkler Fachanwältin für Erbrecht und Steuerrecht, LL.M.

Rechtsanwältin

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  • Fachanwältin für Steuerrecht

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