E-Mail Fax Telefon

Herausgabeanspruch eines verschenkten Grundstücks bei nicht anerkennenswertem lebzeitigen Eigeninteresse

Herausgabeanspruch eines verschenkten Grundstücks

Teasergrafik zum Beitrag im Blog für Erbrecht, Steuerrecht und Gesellschaftsrecht

Herausgabeanspruch eines verschenkten Grundstücks bei nicht anerkennenswertem lebzeitigen Eigeninteresse des Erblassers an der Schenkung (Urteil OLG Hamm vom 14. September 2017, Az.: 10 U 1/17)

Immer wieder gibt es die Situation, dass nach einem Erbfall das böse Erwachen folgt – dann nämlich, wenn das eigentlich Erwartete nicht mehr im Nachlass vorgefunden wird. Grundsätzlich gilt, dass ein jeder zu Lebzeiten mit seinem Vermögen machen darf, was er möchte, d.h. er darf auch etwas sehr Wertvolles einfach so verschenken. Aber unter engen Voraussetzungen können die Vertragserben oder Schlusserben erfolgreich einen Herausgabeanspruch gegen den Beschenkten geltend machen, wenn der Erblasser zu Lebzeiten kein anerkennenswertes Eigeninteresse für die Vornahme der Schenkung hatte.

Dem vorgenannten Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Kläger und Beklagter sind neben zwei weiteren Geschwistern die Kinder des Erblassers. Die Eltern der Parteien waren Eigentümer eines zunächst rechtlich ungeteilten Grundstücks, das optisch in zwei Bereiche geteilt war. In einem Bereich befand sich das von den Eltern bewohnte Wohnhaus nebst Terrasse und Garten und im anderen, unbebauten Bereich eine Wiese.

Mit einem 1991 errichteten notariellen Erbvertrag setzten sich die Eltern wechselseitig zu Erben ein und bestimmten, dass der Beklagte nach dem Tode des Längstlebenden das Grundstück erhalten und dass ihr weiteres Vermögen unter den anderen Kindern zu gleichen Teilen aufgeteilt werden sollte, da sich der Beklagte bereiterklärt hatte, im Hause der Eltern zu verbleiben, um diese im Alter zu pflegen.

Der Beklagte baute in den folgenden Jahren das Haus auf eigene Kosten so um, dass er mit seiner Familie im Obergeschoss und seine Eltern im Erdgeschoss wohnen konnten.

Im Jahr 2001 teilten die Eltern das Grundstück entsprechend der vorhandenen Bereiche (Haus mit Garten und unbebaute Wiese) in zwei Parzellen. Im Jahr 2003 übertrugen die Eltern die Parzelle mit dem Wohnhaus auf den Beklagten unter Bestellung eines lebenslangen Wohnrechts zu ihren Gunsten im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Die Geschwister des Beklagten erhielten im Laufe der Jahre schenkweise, ebenfalls im Wege der vorweggenommenen Erbfolge, insgesamt jedes ca. EUR 90.000,-.

Nachdem die Mutter verstorben war, übertrug der sie allein beerbende Erblasser das unbebaute Wiesengrundstück im Wege der Schenkung auf den Beklagten. Er berief sich darauf, dass bei Abschluss des notariellen Erbvertrages im Jahre 1991 mit seiner Ehefrau vereinbart gewesen sei, dass der Beklagte das ganze, damals noch ungeteilte Grundstück erhalten solle.

Der den drei Geschwistern des Beklagten erteilte Erbschein wies die drei Geschwister als Erben des Erblassers zu je 1/3 aus.

Daher verlangte der Kläger von seinem Bruder, dem Beklagten, die Übertragung eines Miteigentumsanteils von 1/3 an dem unbebauten Wiesengrundstück. Als Begründung führte der Kläger aus, seine Eltern hätten stets zwischen „Haus“ und „Wiese“ unterschieden. Somit sei dem Beklagten bei Abschluss des Erbvertrages nur der bebaute Teil des Grundstücks zugewendet worden, mit der Folge, dass der unbebaute Teil des Grundstücks an die übrigen Kinder habe gehen sollen.

Der Beklagte war der Auffassung, dass es dem Willen der Eltern entsprochen habe, ihm das gesamte bei Abschluss des Erbvertrages noch ungeteilte Grundstück zu übertragen. Die Geldschenkungen an seine Geschwister seien als eine Art Abfindung zu verstehen. Mit der späteren Schenkung des Wiesengrundstücks habe der Vater lediglich den gemeinsamen Willen der Eltern vollzogen. Aufgrund der erfolgten und erwarteten Investitionen und Pflegeleistungen habe der Beklagte zudem ein lebzeitiges Eigeninteresse an der Schenkung gehabt.

Das OLG Hamm kam zu dem Ergebnis, dass mit der schenkweisen Übertragung des Wiesengrundstücks an den Beklagten der Erblasser den Kläger in seinen Rechten als Vertragserbe verletzt hat. Der Erbvertrag sei so auszulegen, dass dem Beklagten lediglich das Haus- und nicht auch das Wiesengrundstück zugewendet worden sei. Dieses hätten die drei Geschwister als Teil des „weiteren Vermögens“ erhalten sollen. Das Gericht stützte sein Urteil auf die übereinstimmenden und glaubhaften Zeugenaussagen, wonach die Eltern wiederholt geäußert hätten, dass das Haus für den Beklagten und die Wiese für die drei Geschwister seien.

Dem Erblasser fehle es zudem an einem anerkennenswerten, lebzeitigen Eigeninteresse an der Schenkung, denn er habe gewusst, dass er durch die unentgeltliche Zuwendung das Erbe der anderen Geschwister schmälere. Wenn der Erblasser die Zuwendung wesentlicher Vermögenswerte hauptsächlich aufgrund eines auf Korrektur einer Verfügung von Todes wegen gerichteten Sinneswandels vornehme, wird ein lebzeitiges Eigeninteresse des Schenkers bzw. des Erblassers abgelehnt.

Dem Beklagten war es vorliegend nicht gelungen, die Umstände eines solchen lebzeitigen Eigeninteresses des Erblassers schlüssig darzulegen. Die Investitionen in den Umbau des Wohnhauses oder die zugunsten der Eltern erbrachten Betreuungs- und Pflegeleistungen begründeten nach Auffassung des Gerichts kein anerkennenswertes Eigeninteresse des Erblassers an dem Verschenken des Wiesengrundstücks. Insbesondere kämen die wertsteigernden Verwendungen ausschließlich dem Beklagten als nunmehrigem Grundstückseigentümer zugute.

Daher hatte der Beklagte seinen Geschwistern das Wiesengrundstück herauszugeben und unterlag somit im Rechtsstreit.

Nicht jede Schenkung kann herausverlangt werden. Es kommt immer auf den individuellen Einzelfall an sowie auf die Ausgestaltung des bindend gewordenen gemeinschaftlichen Testamentes oder Erbvertrages.

Haben Sie Fragen zu Schenkungen im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge oder zu möglichen Herausgabeansprüchen der Erben? Wir beraten Sie gern!

Über die Autorin

Kristin Winkler Fachanwältin für Erbrecht und Steuerrecht

Kristin Winkler Fachanwältin für Erbrecht und Steuerrecht, LL.M.

Rechtsanwältin

  • Fachanwältin für Erbrecht
  • Fachanwältin für Steuerrecht

Tel.: 040 / 300 39 86 - 0

Fax: 040 / 300 39 86 – 66

Back to Top