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Doppeltes Erbe für Adoptivkinder

Doppeltes Erbe für Adoptivkinder

Teasergrafik zum Beitrag im Blog für Erbrecht, Steuerrecht und Gesellschaftsrecht

Doppeltes Erbe für Adoptivkinder

Ein Adoptivkind kann neben dem Erbteil der leiblichen Mutter auch den Erbteil der Adoptivmutter erlangen

Das OLG Frankfurt hat in seinem Beschluss vom 15. Dezember 2021 (Az.: 21 W 170/21) entschieden, dass ein Adoptivkind kumulativ aus dem Stamm seiner Adoptiveltern sowie seiner leiblichen Eltern Erbteile erwerben kann.

Dem Beschluss liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die verwitwete Erblasserin war kinderlos verstorben. Sie hatte zwei vorverstorbene Schwestern. Als sie, ohne ein Testament zu errichten, verstarb, hatte sie lebende Nichten und Neffen. Der eine Neffe war das leibliche Kind einer Schwester der Erblasserin. Nach deren Tod hatte die andere Schwester den Jungen adoptiert. Der Junge hatte nach dem Tod der Erblasserin einen Erbschein beantragt, nach dem er als gesetzlicher Erbe 50% des Nachlasses bekommen sollte. Die 50% würden sich aus 25% über den Stamm seiner leiblichen Mutter und 25% über den Stamm der Adoptivmutter zusammensetzen. Dem stimmte das Nachlassgericht zu. Die übrigen Neffen und Nichten legten Beschwerde ein.

Das Nachlassgericht hatte folgendes festgestellt. Die Erbfolge beurteile sich hinsichtlich der erbrechtlichen Folgen der Adoption des Neffen durch die Schwester seiner leiblichen Mutter nach den seit dem 01.01.1977 maßgeblichen Vorschriften und damit insbesondere nach § 1756 Abs. 1 BGB (n.F.). Gemäß dieser Vorschrift habe eine Verwandtenadoption jedoch nur das Erlöschen der Verwandtschaftsverhältnisse des Kindes zu seinen leiblichen Eltern, aber nicht auch zu den übrigen Verwandten zweiten oder dritten Grades zur Folge. Der Antragsteller habe die Erblasserin daher zugleich als Abkömmling seiner Adoptivmutter und über die insoweit weiterhin bestehende Verwandtschaft zu seiner leiblichen Mutter beerbt.

Die Neffen und Nichten hatten eingewandt, dass die Vorschriften der §§ 1754 ff. BGB nicht anwendbar seien.

Dies hat das OLG Frankfurt nun entschieden. Es wies die Beschwerde gegen den Beschluss des Nachlassgerichts zurück. Das Nachlassgericht habe zu Recht die für die Erteilung des Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Der Neffe erlangt jeweils 25% des Erbes und wurde damit in mehrere Stämme zur Erbfolge nach der Erblasserin berufen.

Gemäß §§ 1757, 1763 BGB a.F. wurde für das adoptierte Kind kein Verwandtschaftsverhältnis zu den Verwandten des Adoptierenden begründet (§ 1763 BGB a.F.), sondern nur zu dem Annehmenden (Adoptivmutter o. Adoptivvater) selbst (§ 1757 BGB a.F.). Die Adoption lies die verwandtschaftlichen Beziehungen zu der leiblichen Verwandtschaft des angenommenen Kindes unberührt (§ 1767 BGB).

Der Neffe war hiernach mit der Erblasserin nur über seine vorverstorbene leibliche Mutter (§ 1767 BGB), aber nicht auch insoweit verwandt, als es sich bei der Erblasserin um eine Schwester und damit eine Verwandte (§ 1763 BGB a.F.) seiner Adoptivmutter handelte. Hiernach wäre der Neffe nur Erbe nach seiner leiblichen Mutter geworden. Denn soweit es sich bei der Erblasserin zugleich um eine Verwandte seiner Adoptivmutter gehandelt hat, schloss § 1763 BGB a.F. ein über den Adoptivelternteil vermitteltes Verwandtschaftsverhältnis aus.

Das Erbrecht des Neffen ist allerdings so zu betrachten, als wäre er erst nach Inkraftteten der §§ 1755, 1756, 1925 Abs. 4 BGB (n.F.) adoptiert worden.

Gemäß Art. 12 § 2 Abs. 1 Satz 1 AdoptG gelten für die Minderjährigenadoption seit Inkrafttreten des AdoptG zum 1. Januar 1977, wenn das Adoptivkind am 1. Januar 1977 noch minderjährig war, für danach eingetretene Rechtslagen die Vorschriften über die Minderjährigenadoption in ihrer durch das AdoptG geänderten Fassung.

Der Neffe war 1960 geboren und damit 1997 noch minderjährig. Damit ist der Neffe nach § 1927 S. 1 BGB in mehrere Stämme und damit auch zu mehreren Erbteilen zum Erben nach der Erblasserin berufen worden. Der Erbanteil nach seiner Adoptivmutter erfolgte über § 1754 Abs. 1 BGB. Der Erbteil über seine leibliche Mutter erfolgte über § 1756 BGB (n.F.).

Zwar stellt § 1756 Abs. 1 BGB eine Ausnahmevorschrift da und Ausnahmevorschriften sind grundsätzlich eng auszulegen. Jedoch muss dies im Rahmen des Zwecks der Ausnahmevorschrift stattfinden. Als Zweck von § 1756 Abs. 1 Satz 1 BGB soll das Verwandtschaftsverhältnis zur Herkunftsfamilie insoweit aufrechterhalten werden, als nicht das unmittelbare Verwandtschaftsverhältnis zum leiblichen Elternteil betroffen ist. Dass das Vorversterben des leiblichen Elternteils auch einem Adoptivkind das Eintrittsrecht in einen zum Stamm der leiblichen Eltern gehörigen Erbteil vermitteln kann, ist im Rahmen dieser Zweckrichtung.

Wir beraten Sie gern zu sämtlichen erbrechtlich relevanten Fragen und Problemen. Vereinbaren Sie einen Termin. Wir sind per E-Mail unter willkommen@gwgl-hamburg.de oder telefonisch unter 040/300 39 86-0 für Sie da.

 

Über die Autorin

Kristin Winkler Fachanwältin für Erbrecht und Steuerrecht

Kristin Winkler Fachanwältin für Erbrecht und Steuerrecht, LL.M.

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  • Fachanwältin für Steuerrecht

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