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Auslegung eines privatschriftlichen Testamentes: Vor- und Nacherbschaft: Lebensgefährtin nur nicht-befreite Vorerbin nach OLG München, Beschluss vom 13. November 2018, Az.: 31 Wx 182/17

Auslegung privatschriftliches Testament: Vor- und Nacherbschaft

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Auslegung eines privatschriftlichen Testamentes: Vor- und Nacherbschaft: Lebensgefährtin nur nicht-befreite Vorerbin nach OLG München, Beschluss vom 13. November 2018, Az.: 31 Wx 182/17

Privatschriftliche Testamente können nach dem Erbfall oft unschöne Folgen nach sich ziehen, die der Erblasser möglicherweise nicht wollte oder auch nicht in Betracht gezogen hat. So hat das OLG München vor kurzem entschieden, dass die Formulierung „Ich (…) verfüge hiermit, dass im Falle meines Todes oder Geschäftsunfähigkeit meine Lebensgefährtin mein gesamtes Vermögen erbt. (…) Meine Lebensgefährtin soll das Vermögen für meine Kinder A, B und C verwalten.“ dazu führt, dass die Lebensgefährtin nicht unbeschränkte Alleinerbin, sondern lediglich nicht-befreite Vorerbin ist (OLG München, Beschluss vom 13. November 2018, Az.: 31 Wx 182/17).

Der Erblasser war verheiratet und hatte mit seiner Ehefrau zwei Kinder A und B. Mit seiner Lebensgefährtin hatte der Erblasser ein weiteres Kind, die minderjährige Tochter C. Das wirksame, privatschriftliche Testament des Erblassers hatte folgenden Wortlaut:

„Testament
Ich (…) verfüge hiermit, dass im Falle meines Todes oder Geschäftsunfähigkeit meine Lebensgefährtin mein gesamtes Vermögen erbt.
Hr. G.V. soll sich um die Auflösung und Abwicklung so kümmern, dass kein Schaden für meine Lebensgefährtin entsteht. Meine Lebensgefährtin soll das Vermögen für meine Kinder A, B und C verwalten.
Meine Lebensgefährtin erhält mit diesem Schreiben Vollmacht über alle Konten meiner Firmen und alle Privatkonten.
(Ort), 19.11.2009 Unterschrift“

Nach dem Tod des Erblassers beantragte die Lebensgefährtin beim Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins, der sie als unbeschränkte Alleinerbin ausweist. Das Nachlassgericht lehnte diesen Antrag ab. Die hiergegen von der Lebensgefährtin eingelegte Beschwerde wurde nach einem Hinweis des OLG-Senats in der Folge zurückgenommen.

Sodann änderte die Lebensgefährtin ihren Erbscheinsantrag dahingehend, dass sie befreite Vorerbin und die Kinder des Erblassers Nacherben seien. Als Begründung führte die Lebensgefährtin an, „dass der Erblasser ihr sein gesamtes Vermögen zugewandt, ihre finanzielle Absicherung bezweckt und ihr uneingeschränkten Zugriff auf alle seine Konten eingeräumt habe.“ Außerdem seien die drei Kinder zur Zeit der Testamentserrichtung noch minderjährig gewesen, so dass es dem Willen des Erblassers entsprochen hätte, die Lebensgefährtin als befreite Vorerbin anzusehen, damit die Bestellung eines Ergänzungspflegers vermieden würde. Doch auch diesen Antrag lehnte das Nachlassgericht ab.

Die von der Lebensgefährtin daraufhin eingelegte Beschwerde lehnte das OLG München ebenfalls ab. Begründet wurde dies damit, dass die Voraussetzungen des § 2136 BGB, welcher die Befreiung des Vorerben vorsieht, nicht vorlägen. Zwar müsse die Befreiung des Vorerben in einem Testament nicht zwingend ausdrücklich angeordnet werden. Diese könne sich vielmehr auch durchAuslegung der letztwilligen Verfügung ergeben. Der Befreiungswille muss jedoch in der letztwilligen Verfügungzumindest irgendwie angedeutet oder versteckt sein. Es sei darauf abzustellen, welches Interesse des Erblassers überwiegt: das Interesse an der Sicherung des Vorerben (dann sei eine Befreiung des Vorerben anzunehmen) oder das Interesse am Erhalt der Nachlasssubstanz (dann sei eine Beschränkung des Vorerben anzunehmen).

Dies zugrundlegend entschied das OLG München, dass sich in dem Testament keine Anhaltspunkte für eine Willensrichtung des Erblassers dahingehend fänden, dass die Lebensgefährtin von den Beschränkungen der Vorerbschaft gem. §§ 2113 BGB befreit sei. Vielmehr entnahm das OLG München dem Testament den Willen des Erblassers, wonach seine Vermögenssubstanz seinen drei Kindern möglichst ungeschmälert erhalten bleiben sollte. Dies sicherzustellen sei nur möglich, wenn die Lebensgefährtin als nicht von den gesetzlichen Beschränkungen befreite Vorerbin anzusehen wäre.

Weder aus der Formulierung in dem Testament, nach der die Lebensgefährtin „das gesamte Vermögen“ erben sollte, noch aus der Vollmachtserteilung zuderen Gunsten ergebe sich eine Befreiung der Vorerbin von den gesetzlichen Beschränkungen. Die Vollmachtserteilung könne auch dahingehend ausgelegt werden, dass der Erblasser die Handlungsmöglichkeiten seiner Lebensgefährtin „für alle Eventualitäten“ habe sicherstellen wollen. Hierbei haben die Richter insbesondere den der Vollmachtserteilung vorangehenden Satz „Meine Lebensgefährtin soll das Vermögen für meine Kinder A, B und C verwalten.“ dahingehend gewertet, dass letztlich die Kinder des Erblassers in den Genuss des Vermögens ihres Vaters kommen sollen.

Auch dass alle drei Kinder bei Testamentserrichtung noch minderjährig waren und damit ggf. eine Ergänzungspflegerbestellung notwendig werden könnte, führte zu keinem anderen Ergebnis. Vorliegend hat der Erblasser nicht nur die Tochter der Lebensgefährtin zur Nacherbin bestimmt, sondern auch seine ehelichen Kinder. Keines der Kinder sollte also bevorzugt bzw. benachteiligt werden. Insofern ist der Erblasserwille nahe liegend, dass die Lebensgefährtin keinen unbeschränkten Zugriff auf die Nachlasssubstanz haben soll. Durch eine nicht-befreiteVorerbschaft werde einer etwaigen Bevorzugung der Tochter der Lebensgefährtin entgegengewirkt bzw. vorgebeugt.

Dieser Fall zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, sich vor der Testamentserrichtung juristisch beraten zu lassen. Denn nach dem Tod des Testierenden ist es oftmals nicht (mehr) möglich, den genauen Willen des Erblassers herauszufinden. Hier drohen Unsicherheiten oder Rechtsstreitigkeiten, die durch eine anwaltlich begleitete Testamentsgestaltung vermieden werden können.

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Über die Autorin

Kristin Winkler Fachanwältin für Erbrecht und Steuerrecht

Kristin Winkler Fachanwältin für Erbrecht und Steuerrecht, LL.M.

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