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Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG und Behandlung von Altfällen infolge des BMF-Schreibens

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Die Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG und die Behandlung von Altfällen infolge des BMF-Schreibens vom 02.06.2025

Hält eine natürliche Person Anteile an einer Kapitalgesellschaft und verlegt die Person ihren ständigen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in ein anderes Land, so kann dies nach § 6 des Außensteuergesetzes (AStG) eine Besteuerung auslösen. § 6 AStG fingiert für den Zeitpunkt der Aufgabe der unbeschränkten Steuerpflicht durch Wegzug einen Veräußerungstatbestand und führt damit die bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Reserven einer Besteuerung zu, ohne dass tatsächlich eine Veräußerung stattgefunden hat. Es kommt also zu einer Aufdeckung stiller Reserven. Hierbei wird ein fiktiver Veräußerungserlös für die Anteile zugrunde gelegt, der sich am gemeinen Wert der Anteile orientiert. Bei dieser sog. Wegzugsteuer handelt es sich nicht um eine eigenständige Steuer, sondern um eine Variante der Einkommenssteuer, mittels derer sichergestellt werden soll, dass angesammelte stille Reserven dem Fiskus nicht vorenthalten werden. Steuerpflichtige die ihre unbeschränkte Steuerpflicht auf diese Weise aufgeben müssen auf diese Weise Vermögenszuwächse ihrer im Privatvermögen gehaltenen wesentlichen (>= 1%) Beteiligungen an inländischen oder ausländischen Kapitalgesellschaften nach den Grundsätzen des § 17 EStG versteuern.

Unbeschränkt steuerpflichtig sind dabei alle natürlichen Personen, die in den letzten zwölf Jahren vor dem Wegzug mindestens sieben Jahre ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatten. § 6 Abs. 3 AStG sieht ferner eine Rückkehrregelung dahingehend vor, dass die Wegzugsteuer rückwirkend entfällt, wenn der Steuerpflichtige oder sein Rechtsnachfolger innerhalb von sieben (verlängerbar auf zwölf Jahre) nach Deutschland zurückkehrt.

Zur obig beschriebenen Wegzugsbesteuerung sah § 6 Abs. 5 AStG in seiner vor dem 01.07.2021 geltenden Fassung („a.F“) eine erhebliche Privilegierung vor, wonach diese Steuer unbefristet und zinslos gestundet werden konnte, wenn der Steuerpflichtige innerhalb der EU bzw. des EWR umzog und im Zielstaat einer der deutschen unbeschränkten Einkommenssteuerpflicht vergleichbaren Steuerpflicht unterliegt. Für Wegzüge in die Schweiz war eine solche Stundungsmöglichkeit jedoch nicht vorgesehen.

Mit Urteil vom 26. Februar 2019 kam der EuGH in der Sache Wächtler – C 581/17 zu dem Schluss, dass diese unbefristete Stundungsmöglichkeit bis zu einem Verkauf der Anteile wegen des Freizügigkeitsabkommens (FZA) Schweiz auch für Wegzüge in die Schweiz gelten müsse. In der Folge wurde der Gesetzgeber tätig und schaffte die Möglichkeit zur Stundung ab. Vielmehr ist nun lediglich die Möglichkeit zur Ratenzahlung vorgesehen.

Im auf das dem EuGH vorgelegten Verfahren folgenden Revisionsverfahren ging der BFH detailliert auf die Begründung der Richter des EuGH ein und führte aus, dass ohne die Möglichkeit zur unbefristeten zinslosen Stundung ein Steuerpflichtiger wegen eines Liquiditätsnachteils davon abgehalten werden könne von seinem Recht zur Niederlassungsfreiheit gemäß FZA Gebrauch zu machen. Es bestehe insoweit eine Ungleichbehandlung gegenüber Steuerpflichtigen, die ihren Wohnsitz innerhalb der Grenzen des Inlandes verlegen. Der BFH wies ferner darauf hin, dass eine Stundung auch dann zu gewähren ist, wenn bereits eine Steuer entrichtet wurde. Es entsteht mithin ein Rückzahlungsanspruch, sodass die Steuer dem Steuerpflichtigen zurückzugewähren und sodann zu stunden ist. Auch die Verpflichtung zur Ratenzahlung begründet nach Ansicht der Richter einen Liquiditätsnachteil gegenüber demjenigen hervorruft, der nicht ins Ausland verzieht.

Das Bundesministerium der Finanzen hat am 02. Juni 2025 ein neues Schreiben veröffentlicht, welches die beiden Urteile aufgreift und der Finanzverwaltung eine Handlungsanweisung hinsichtlich des Umganges mit der Wegzugsbesteuerung für Altfälle unter der alten Rechtslage, also solchen bis zum 31.12.2021 vorgibt, die zudem vom FZA Schweiz erfasst sind.

Die Stundung der Wegzugsteuer kann unter folgenden Voraussetzungen erfolgen:

  • Der Steuerpflichtige ist EU- oder Schweizer Staatsbürger.
  • Vor dem 1.1.2022 ist ein Wegzugstatbestand nach § 6 Abs.1 Satz 1 oder Satz 2 Nr. 2 AStG a.F. verwirklicht worden.
  • Der Wegzug fällt unter den Gleichbehandlungsgrundsatz des FZA (z.B. Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in der Schweiz)
  • Nach dem Wegzug unterliegt der Steuerpflichtige in der Schweiz einer mit §1 Abs.1 EStG vergleichbaren Steuerpflicht (z.B. Wohnsitz/Geschäftsleitung in der Schweiz)
  • Seit dem Wegzug ist kein Widerrufstatbestand eingetreten (z.B. keine Gewinnausschüttung, keine Anteilsübertragung etc.)

Die Stundung greift rückwirkend und begründet einen zu verzinsenden Erstattungsanspruch gegenüber dem Finanzamt.

Es gibt jedoch auch einige Fallstricke, die zu beachten sind. Erfolgt eine Rückkehr nach Deutschland und lebt so die unbeschränkte Steuerpflicht wieder auf, greift die Rückkehrregelung gemäß § 6 Abs. 3 AStG a.F. Ein Entfall des Steueranspruches kommt dann ausschließlich nach § 6 Abs. 3 S.1 und S.2 AStG a.F. in Betracht. Soweit nach dem 16. August 2023 Gewinnausschüttungen oder eine Einlagenrückgewähr von mehr als 25% des damaligen gemeinen Anteilswertes erfolgt, hindert dies den Steuererlass.

Außerdem kann die Stundung auch widerrufen werden, wenn wesentliche Voraussetzungen entfallen oder bestimmte Ereignisse eintreten. So ist ein Widerruf bspw. möglich, wenn der Steuerpflichtige seinen EU/Schweizer Wohnsitz bzw. die entsprechende Staatsbürgerschaft aufgibt. Ein Widerruf wegen Wechsels in einen anderen EU-Staat kann unter gewissen Bedingungen nach Stellung eines entsprechenden Antrages unschädlich sein. Auch eine Anteilsübertragung kann in vielen Fällen zu einem Widerruf der Stundung führen.

Im Übrigen ist Vorsicht bei der Erfüllung der Meldepflichten geboten. Tritt ein Widerrufsgrund beim Steuerpflichtigen ein, so ist dieser verpflichtet, dem Finanzamt diesen Umstand binnen eines Monates anzuzeigen. Der Steuerpflichtige ist darüber hinaus jährlich dazu verpflichtet, dem Finanzamt Meldung zu machen, ob ein Widerrufsgrund vorliegt, ob die Voraussetzungen für die Steuerstundung weiterhin gegeben sind und ob die Anteile unverändert fortbestehen.

Kommt der Steuerpflichtige dieser Meldepflicht nicht oder nicht hinreichend nach, so wird das Bestehen eines Widerrufsgrundes fingiert. Insbesondere bei der Erfüllung der Meldepflichten und der damit verbundenen Prüfung der Voraussetzungen der Stundung ist insoweit Vorsicht geboten.

Wie bereits dargelegt, ist es nicht ersichtlich, warum die Erwägungen des EuGH und des BFH nicht auch auf die aktuelle Rechtslage Anwendung finden sollte. Eine Ungleichbehandlung gegenüber Steuerpflichtigen, die im Inland ihren Wohnsitz ändern besteht fort. Es liegt am Gesetzgeber im Sinne einer unionrechtskonformen Regelung die dauerhafte und zinslose Stundung für Wegzüge in EU/EWR-Staaten sowie auch die Schweiz wieder zu ermöglichen. Bis dies geschehen ist, bleibt den Steuerpflichtigen nur, ihre Ansprüche auf dem Rechtsweg durchzusetzen.

Unsere Steuerberater und Fachanwälte für das Steuerrecht beraten Sie gern zur Durchsetzung ihrer Ansprüche sowie zur steueroptimierten Gestaltung ihrer Vermögensstruktur bei einem etwaig bevorstehenden Wegzug ins Ausland.

Über den Autor

Matthias E. Grimme Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater, Fachberater für Unternehmensnachfolge (DStV e.V)

Rechtsanwalt, Steuerberater

  • Fachanwalt für Steuerrecht
  • Fachberater für Unternehmensnachfolge (DStV e.V.)

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