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Ge­schie­de­ner Ehe­gat­te hat Recht zur Ak­ten­ein­sicht in amt­lich ver­wahr­tes, nach der Schei­dung vom Erb­las­ser neu er­rich­te­tes Tes­ta­ment

Ver­jäh­rung des Pflicht­teils­an­spruchs eines Ge­schäfts­un­fä­hi­gen

Teasergrafik zum Beitrag im Blog für Erbrecht, Steuerrecht und Gesellschaftsrecht

Ver­jäh­rung des Pflicht­teils­an­spruchs eines Ge­schäfts­un­fä­hi­gen

Für den Be­ginn der Ver­jäh­rung des Pflicht­teils­an­spruchs eines Ge­schäfts­un­fä­hi­gen ist auf die Be­stel­lung des Vor­munds bzw. Be­treu­ers und des­sen Kennt­nis ab­zu­stel­len.

Wer als Pflicht­teils­be­rech­tig­ter von einem nahen An­ge­hö­ri­gen ent­erbt wurde, muss bei der Gel­tend­ma­chung sei­nes Pflicht­teils­an­spruchs stets die Ver­jäh­rung be­ach­ten. Denn ein Pflicht­teils­an­spruch ver­jährt in­ner­halb von drei Jah­ren, wobei die Frist mit Ab­lauf des Jah­res be­ginnt, in dem Pflicht­teils­be­rech­tig­te Kennt­nis von sei­ner Ent­er­bung und von der Per­son des Schuld­ners (also des/der Erben) er­langt hat. Aber wie ist es bei einem Ge­schäfts­un­fä­hi­gen? Ist dann auf des­sen Kennt­nis oder auf die des ge­setz­li­chen Vor­munds bzw. Be­treu­ers ab­zu­stel­len? Die Frage ent­schied das OLG Hamm mit Ur­teil vom 22. De­zem­ber 2020 (Az.: 10 U 103/19).

Dem Ur­teil liegt fol­gen­der ge­kürz­ter Sach­ver­halt zu Grun­de:

Der Erb­las­ser war Vater von zwei er­wach­se­nen Kin­dern (Toch­ter T und Sohn S). T ist auf­grund einer schwe­ren in­tel­lek­tu­el­len Be­hin­de­rung ge­schäfts­un­fä­hig und lebt seit Jahr­zehn­ten von So­zi­al­hil­fe. Im Jahr 1987 über­trug der Vater zwei Im­mo­bi­li­en un­ent­gelt­lich auf den S. Im Jahr 1989 ver­starb der Vater, der bis dahin auch Be­treu­er der T war. Der S über­nahm kurz nach dem Tod des Erb­las­sers die Be­treu­ung sei­ner Schwes­ter. Al­lein­er­bin nach dem Vater wurde auf­grund des Ehe­gat­ten­tes­ta­ments die Ehe­frau, die Mut­ter der Kin­der. Diese ver­starb im Jahr 2015. Sie wurde von S als Schlus­s­er­ben al­lein be­erbt.

Im Sep­tem­ber 2017 über­sand­te der Be­klag­te dem Klä­ger – dem So­zi­al­hil­fe­trä­ger – ein Nach­lass­ver­zeich­nis nach der Mut­ter. Hier­nach war der Nach­lass wert­los. Dar­auf­hin lei­te­te der Klä­ger Pflicht­teils- und Pflicht­teil­s­er­gän­zungs­an­sprü­che der T auf­grund des Erb­falls nach dem Vater im Ok­to­ber 2017 auf sich über, wo­ge­gen der Be­klag­te frist­ge­recht Wi­der­spruch ein­leg­te.

Der Klä­ger mach­te so­dann aus über­ge­gan­ge­nem Recht Pflicht­teil­s­er­gän­zungs­an­sprü­che im Wege der Stu­fen­kla­ge gel­tend. Auf der Aus­kunfts­stu­fe be­gehrt er Wert­er­mitt­lung durch Vor­la­ge von Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten hin­sicht­lich der an S un­ent­gelt­lich über­tra­ge­nen Grund­stü­cke. S erhob dar­auf­hin die Ein­re­de der Ver­jäh­rung.

Der Klä­ger mein­te, die Ver­jäh­rung sei auf­grund eines Ver­tre­tungs­hin­der­nis­ses ge­hemmt ge­we­sen. Der Be­klag­te als ge­setz­li­cher Be­treu­er der T hätte nach dem Tod sei­nes Va­ters zu­nächst Pflicht­teils- und Pflicht­teil­s­er­gän­zungs­an­sprü­che ge­gen­über sei­ner Mut­ter als Al­lein­er­bin gel­tend ma­chen müs­sen. Nach dem Tod der Mut­ter hätte der Be­klag­te so­dann die An­sprü­che der T ge­gen­über sich selbst als Al­lein­er­ben der Mut­ter gel­tend ma­chen müs­sen. Die Ver­jäh­rung habe erst ab dem An­spruchs­in­ha­ber­wech­sel durch die Über­lei­tung von T auf den Klä­ger im Jahr 2017 zu lau­fen be­gon­nen.

Der Be­klag­te ging davon aus, der Klä­ger habe An­sprü­che der T auf Zah­lung von Pflicht­teils- und Pflicht­teil­s­er­gän­zungs­an­sprü­che nach dem Vater nicht wirk­sam auf sich über­ge­lei­tet. Da seit dem Erb­fall nach dem Vater mehr als 29 Jahre ver­gan­gen seien, sei der An­spruch ver­jährt.

In ers­ter In­stanz wurde der Be­klag­te im Rah­men eines Teil­ur­teils ver­ur­teilt, durch einen Sach­ver­stän­di­gen Wert­gut­ach­ten für die bei­den an ihn über­tra­ge­nen Im­mo­bi­li­en er­stel­len zu las­sen.

Hier­ge­gen rich­te­te sich die Be­ru­fung des Be­klag­ten, der sei­nen An­trag auf voll­stän­di­ge Ab­wei­sung der Klage wei­ter­ver­folg­te.

In zwei­ter In­stanz gaben die Rich­ter dem Be­klag­ten Recht. Der von T auf den Klä­ger über­ge­lei­te­te Pflicht­teil­s­er­gän­zungs­an­spruch gem. § 2325 BGB ist eben­so ver­jährt wie der Wert­er­mitt­lungs­an­spruch gem. § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB.

Die Ver­jäh­rung des Pflicht­teil­s­er­gän­zungs­an­spruchs gem. § 2325 BGB rich­te­te sich vor­lie­gend gem. Art. 229 § 23 Abs. 1 EGBGB nach altem Recht, denn die Vor­schrif­ten über die Ver­jäh­rung in der seit dem 1. Ja­nu­ar 2010 gel­ten­den Fas­sung des BGB sind nur auf an die­sem Tag be­ste­hen­de und nicht ver­jähr­te An­sprü­che an­zu­wen­den. Der Pflicht­teil­s­er­gän­zungs­an­spruch der Leis­tungs­emp­fän­ge­rin war aber nach altem Recht schon ver­jährt. Die­ser An­spruch ver­jähr­te gem. § 2332 Abs. 1 BGB a.F. grund­sätz­lich in drei Jah­ren, wobei die Frist in dem Zeit­punkt be­ginnt, in dem der Pflicht­teils­be­rech­tig­te von dem Ein­tritt des Erb­fal­les und von der ihn be­ein­träch­ti­gen­den Ver­fü­gung Kennt­nis er­langt.

Hin­sicht­lich der Kennt­nis sei vor­lie­gend al­ler­dings nicht auf T, son­dern auf den Be­klag­ten als deren ge­setz­li­cher Ver­tre­ter ab­zu­stel­len, § 166 Abs. 1 BGB. Am 5. Fe­bru­ar 1990 wurde der Be­klag­te zum Be­treu­er der T be­stellt, mit der Folge, dass mit Ab­lauf des 5. Fe­bru­ar 1993 Ver­jäh­rung ein­ge­tre­ten ist.

Glei­ches gilt im Er­geb­nis auch für den vom Klä­ger gel­tend ge­mach­ten Wert­er­mitt­lungs­an­spruch gem. § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB. Al­ler­dings gal­ten hier, im Ge­gen­satz zum Pflicht­teil­s­er­gän­zungs­an­spruch, die seit 1. Ja­nu­ar 2010 gel­ten­den Re­ge­lun­gen, denn zu die­sem Zeit­punkt (also zum 1. Ja­nu­ar 2010) war der Wert­er­mitt­lungs­an­spruch des Klä­gers noch nicht ver­jährt. Nach altem Recht (§ 195 BGB a.F.) be­trug die all­ge­mei­ne Ver­jäh­rungs­frist 30 Jahre ab Ent­ste­hung des An­spruchs (also ab dem Erb­fall). Nach neuem Recht (§ 195 BGB n.F.) be­trägt die Re­gel­ver­jäh­rung al­ler­dings nur noch drei Jahre ab Gül­tig­keit des neuen Rechts, mit­hin ab dem 1. Ja­nu­ar 2010. Somit war der Wert­er­mitt­lungs­an­spruch mit Ab­lauf des 1. Ja­nu­ar 2013 eben­falls ver­jährt.

Auch war nach Auf­fas­sung der Rich­ter die Ver­jäh­rung vor­lie­gend nicht wegen § 206 BGB a.F. (nun: § 210 BGB n.F.) ge­hemmt, da kein Ver­tre­tungs­hin­der­nis be­stan­den habe. Hier­nach tritt die für oder gegen eine ge­schäfts­un­fä­hi­ge (…) Per­son ohne ge­setz­li­chen Ver­tre­ter lau­fen­de Ver­jäh­rung nicht vor dem Ab­lauf von sechs Mo­na­ten nach dem Zeit­punkt ein, in dem die Per­son un­be­schränkt ge­schäfts­fä­hig ge­wor­den oder der Man­gel der Ver­tre­tung be­ho­ben wor­den war. Ein Ver­tre­tungs­hin­der­nis lag nicht vor, denn der S war nach § 1795 BGB von der Ver­tre­tung der T nicht aus­ge­schlos­sen. Nach die­ser Vor­schrift ist die Ver­tre­tung des Mün­dels durch den Vor­mund bei be­stimm­ten Rechts­ge­schäf­ten aus­ge­schlos­sen. Die Er­he­bung einer Klage bzw. Stel­lung eines ver­fah­rens­ein­lei­ten­den An­tra­ges des Mün­dels gegen den Vor­mund oder einen sei­ner An­ge­hö­ri­gen fällt je­doch nicht dar­un­ter. Der Be­klag­te konn­te somit ent­schei­den, An­sprü­che der T gegen die Mut­ter als Al­lein­er­bin nach dem Vater ge­richt­lich gel­tend zu ma­chen oder nicht. Der Be­klag­te hat davon bis zum Ein­tritt der Ver­jäh­rung je­doch zu­läs­si­ger­wei­se ab­ge­se­hen. Somit war die Klage er­folg­los.

Die­ser Fall ver­deut­licht wie­der ein­mal die Be­deut­sam­keit der Ver­jäh­rung. Denn nach Ein­tritt der Ver­jäh­rung sind sämt­li­che An­sprü­che nicht mehr durch­setz­bar, auch wenn sie vor­her be­stan­den haben.

Auch schei­nen in die­sem Fall die El­tern in ihrer be­son­de­ren fa­mi­liä­ren Kon­stel­la­ti­on nach un­se­rem Ver­ständ­nis kein sog. Be­hin­der­ten­tes­ta­ment er­stellt zu haben, wel­ches be­güns­ti­gen­de >Son­der­re­geln in Bezug auf das kör­per­lich oder geis­tig be­ein­träch­tig­te Kind ent­hält. Ziel sol­cher letzt­wil­li­gen Ver­fü­gun­gen ist es, dem be­hin­der­ten Kind trotz sei­ner Erb­schaft die volle staat­li­che Un­ter­stüt­zung zu er­hal­ten, ohne dass das ver­erb­te Ver­mö­gen hier­für ein­ge­setzt wer­den muss. Hier­für sind al­ler­dings um­fang­rei­che und prä­zi­se tes­ta­men­ta­ri­sche Re­ge­lun­gen not­wen­dig, die eine an­walt­li­che oder no­ta­ri­el­le Be­ra­tung un­ab­ding­bar ma­chen.

Sind Sie ent­erbt wor­den und über­le­gen, den Pflicht­teil gel­tend zu ma­chen oder wer­den gegen Sie als (Al­lein-)Erben Pflicht­teils­an­sprü­che gel­tend ge­macht? Oder haben Sie Fra­gen zum Thema Be­hin­der­ten­tes­ta­ment oder sons­ti­gen erbrecht­li­chen The­men, zu Ihren Rech­ten, aber auch Ihren Pflich­ten? Ver­ein­ba­ren Sie gern einen Be­ra­tungs­ter­min.

Wir sind per E-Mail unter will­kom­men@​gwgl-​hamburg.​de oder te­le­fo­nisch unter 040/300 39 86-0 für Sie da.

Über die Au­to­rin

Kris­tin Wink­ler Fach­an­wäl­tin für Erbrecht und Steu­er­recht, LL.M.

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