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Unwirksame Erbausschlagung durch gesetzlichen Vertreter eines minderjährigen Erben wegen Verfristung bei kurzem Auslandsaufenthalt

Unwirksame Erbausschlagung durch gesetzlichen Vertreter eines minderjährigen Erben

Teasergrafik zum Beitrag im Blog für Erbrecht, Steuerrecht und Gesellschaftsrecht

Unwirksame Erbausschlagung durch gesetzlichen Vertreter eines minderjährigen Erben wegen Verfristung bei kurzem Auslandsaufenthalt

In Zeiten der Corona-Pandemie sind Tagesausflug ins nahegelegene Ausland nicht immer möglich. Dennoch werden Ausflüge und Reisen ins Ausland irgendwann wieder ‚normal‘. Und genau dann kann relevant werden, unter welchen Voraussetzungen die verlängerte sechsmonatige Ausschlagungsfrist des § 1944 Abs. 3 BGB gilt und was genau ein „Auslandsaufenthalt“ im Sinne der Norm eigentlich ist. Zu dieser Thematik gibt es einen interessanten Beschluss des BGH (Beschluss vom 16. Januar 2019, Az.: IV ZB 20/18).

Der BGH entschied, dass ein Auslandsaufenthalt im Sinne des § 1944 Abs. 3 BGB jedenfalls dann nicht vorliegt, wenn sich einer der beiden gesetzlichen Vertreter eines minderjährigen Erben bei dem Beginn der Frist lediglich für einige Stunden zu einem Tagesausflug im Ausland aufhält und planmäßig noch am selben Tag an seinen Wohnort im Inland zurückkehrt.

Dieser Entscheidung lag folgender, gekürzter Sachverhalt zu Grunde:

Die Erblasserin verstarb im Jahr 2016. In einem formwirksamen Testament setzte sie ihre beiden Söhne, die Beteiligten B1 und B2, gleichanteilig als Vorerben ein. Nacherben ihres Sohnes B2 sollten dessen beiden Söhne, der Beteiligte B4 und der zum Zeitpunkt des Todes der Erblasserin noch minderjährige B5, sein.

Am 28. Dezember 2016 wurde das Testament der Erblasserin durch das Nachlassgericht eröffnet und an B1 und B2 übersandt. Am 19. Januar 2017 wurde den Nacherben B4 und B5 Abschriften des Testaments übersandt. Am 7. Februar 2017 schlugen B1 und B2 unter Berufung auf § 2306 Abs. 1 BGB fristgerecht die Erbschaft aus, wobei sich die Erbausschlagung nur auf den Berufungsgrund als testamentarisch eingesetzte Vorerben beziehen sollte. Für den Fall, dass B1 und B2 später als gesetzliche Erben in Betracht kommen würden, würden sie die Erbschaft annehmen. Am 23. Februar 2017 schlug B4 die Erbschaft aus allen erdenklichen Berufungsgründen aus. Das Nachlassgericht wies B2 und seine Ehefrau F mit Schreiben vom 16. März 2017 darauf hin, dass nach Ausschlagung der Erbschaft durch B1 und B2 B5 Erbe geworden sein dürfte. Am 6. September 2017 schlugen die Eltern des B5 (B2 als Vater und die Mutter F) die Erbschaft aus allen in Betracht kommenden Berufungsgründen aus.

Daraufhin beantragten B1 und B2 die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins als gesetzliche Erben der Erblasserin, da sämtliche testamentarischen Erben die Erbschaft ausgeschlagen hätten. Sie gaben an, sich zusammen mit B5 an dem Tag, als das Schreiben des Nachlassgerichts vom 16. März 2017 ankam, zu einem Tagesausflug in Dänemark befunden zu haben, von dem sie am gleichen Tag planmäßig zurückgekehrt seien. Die Ehefrau und Mutter F, die an dem Ausflug nicht teilgenommen habe, habe B2 noch während des Ausflugs telefonisch über den Inhalt des Schreibens unterrichtet. Aufgrund des Tagesausflugs ins benachbarte Ausland gelte die 6-Monatsfrist des § 1944 Abs. 3 BGB, mit der Folge, dass B2 und F als gesetzliche Vertreter des B5 fristgerecht ausgeschlagen hätten und damit gesetzliche Erbfolge eingetreten sei.
Das Nachlassgericht sowie das OLG Schleswig wiesen den Antrag des B1 und B2 auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins aufgrund gesetzlicher Erbfolge zurück. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgte B1 seinen Antrag weiter.
Der BGH bestätigte die Entscheidung des OLG, wonach die gesetzliche Erbfolge nicht eingetreten sei, da B5 nicht wirksam ausgeschlagen habe. Nach § 1944 Abs. 3 BGB beträgt die Ausschlagungsfrist sechs Monate, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz im Ausland hatte oder wenn sich der Erbe bei dem Beginn der Frist im Ausland aufhält. Ein Tagesausflug des Erben ins Ausland sei im Ergebnis hiervon jedenfalls nicht umfasst. Der Begriff „Aufenthalt“ i.S.d. § 1944 Abs. 3 BGB werde nicht einheitlich beurteilt. Maßgebend seien zum einen das Verhältnis zu anderen gesetzlichen Begrifflichkeiten sowie zum anderen der Zweck der gesetzlichen Regelung. Der Begriff des Aufenthalts unterscheide sich von dem des Wohnsitzes dadurch, dass der Wille, den Aufenthaltsort zum Lebensmittelpunkt zu machen, nicht erforderlich sei. Anerkannt sei, dass für einen Aufenthalt ein tatsächliches Verweilen an einem bestimmten Ort mit einer gewissen Verweildauer genüge. Zudem sei der Sinn und Zweck der Vorschrift zu beachten: § 1944 Abs. 3 BGB wolle den Kommunikationsproblemen Rechnung tragen, die sich für den Erben ergeben, wenn er sich z.Z. des Fristbeginns im Ausland aufhält, er also „die maßgeblichen Informationen über den Erbfall und dessen tatsächliche sowie rechtliche Auswirkungen nur unter besonderen Schwierigkeiten erlangen kann“. Unter Beachtung des Vorstehenden entschied der BGH, dass bei einem Tagesausflug ins unmittelbar benachbarte Ausland (hier von Nordfriesland nach Dänemark) für einige Stunden für die Geltung der verlängerten Ausschlagungsfrist des § 1944 Abs. 3 BGB kein Raum sei. Es hätten keine besondere Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den gesetzlichen Vertretern B2 und F, die ihren Mann über das Schreiben des Nachlassgerichts unmittelbar nach Erhalt telefonisch informierte, vorgelegen, die nicht auch nach der Rückkehr des B2 am selben Tag hätten besprochen werden können. B5 ist folglich testamentarischer Alleinerbe geworden.

Der Plan der Beteiligten, durch die Ausschlagungen das Testament der Erblasserin mit der Vorerbeneinsetzung von B1 und B2 sowie der Nacherbeneinsetzung von B4 und B5 zu umgehen, um im Ergebnis zur gewünschten gesetzlichen Erbfolge von B1 und B2 zu gelangen, ist damit nicht aufgegangen. Der BGH sprach ausdrücklich von einem kollusiven Zusammenwirken der Beteiligten und hat hierin einen Umgehungsversuch gesehen.

Dieser Fall zeigt, welche Bedeutung der Ausschlagungsfrist zukommt und welche Folgen es haben kann, wenn diese Frist versäumt wird. Nur in Ausnahmefällen kommt eine Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist gem. § 1956 BGB in Betracht. Hierauf sollte man sich also keinesfalls verlassen. Wenn Sie als Erbe in Betracht kommen und Fragen zur Fristberechnung oder zu deren Anwendung haben, unterstützen wir Sie gern. Vereinbaren Sie gern einen Termin.

 

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Über die Autorin

Kristin Winkler Fachanwältin für Erbrecht und Steuerrecht

Kristin Winkler Fachanwältin für Erbrecht und Steuerrecht, LL.M.

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