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Geschiedener Ehegatte hat Recht zur Akteneinsicht in amtlich verwahrtes, nach der Scheidung vom Erblasser neu errichtetes Testament

Eine bestrittene Nachlassverbindlichkeit ist bei der Pflichtteilsberechnung zunächst außer Acht zu lassen.

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Eine bestrittene Nachlassverbindlichkeit ist bei der Pflichtteilsberechnung zunächst außer Acht zu lassen.

Wer enterbt, aber pflichtteilsberechtigt ist, kann vom Erben seinen Pflichtteil fordern. Dieser beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, welcher wiederrum abhängig von der jeweiligen Erb-Konstellation ist. Maßgeblich für die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs ist der Nettonachlasswert. Nachlassverbindlichkeiten werden also grundsätzlich zu Lasten des Pflichtteilsberechtigten von den Aktiva in Abzug gebracht. Streitigkeiten zwischen Erbe und Pflichtteilsberechtigtem gibt es häufig dann, wenn der Erbe den Bestand einer Nachlassverbindlichkeit, die ein Dritter gegen den Nachlass geltend macht, bestreitet. Der Erbe möchte naturgemäß einen möglichst niedrigen Pflichtteil zahlen, der Pflichtteilsberechtigte möchte aber möglichst viel bekommen. Das OLG Koblenz hat kürzlich entschieden, dass der Erbe den Pflichtteil zunächst so ausbezahlen müsse, als gäbe es die ungewisse Verbindlichkeit nicht. Stelle sich dann im Nachhinein heraus, dass der Dritte berechtigterweise einen Anspruch geltend gemacht hat, so sei dies später zwischen Erbe und Pflichtteilsberechtigtem auszugleichen (OLG Koblenz, Beschluss vom 14. August 2020, Az.: 12 W 173/20).

Diese Entscheidung beruht auf folgendem Sachverhalt:

Eine Mutter enterbte ihre Tochter, die daraufhin gegen die Erbin ihrer verstorbenen Mutter Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend macht. Die Erbin erkennt die Ansprüche dem Grunde nach an, trägt aber vor, dass eine Forderung gegen den Nachlass bestünde, die im Falle ihres tatsächlichen Bestehens den Nachlass aufzehren würde, so dass letztlich keine Pflichtteilsansprüche der Klägerin zu realisieren seien. Die beklagte Erbin ist der Ansicht, die Forderung gegen den Nachlass bestünde nicht. Bis zur Klärung wolle sie aber den Pflichtteil zurückbehalten.

Nach § 2313 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB sind ungewisse Verbindlichkeiten bei der Feststellung des Werts des Nachlasses außer Ansatz zu lassen. Die im vorliegenden Fall von dem Dritten geltend gemachte und von der Beklagten bestrittene Forderung ist eine solche ungewisse Verbindlichkeit, so die Richter. Die Beklagte durfte den klägerseits geltend gemachten Ansprüchen nicht die ungewisse Verbindlichkeit entgegenhalten. Die Risikoverteilung gehe hier eindeutig zu Lasten der Erbin, was vom Gesetzgeber so gewollt sei. Das bedeutet, dass die Erbin zunächst den unter Außerachtlassung der ungewissen Verbindlichkeit berechneten Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch der Klägerin hätte ausgleichen müssen. Stelle sich dann später heraus, dass die Forderung des Dritten tatsächlich Bestand hat, hätte die Erbin gegen die Pflichtteilsberechtigte einen Rückforderungsanspruch in Höhe des überzahlten Betrags, (§ 2313 Abs. 1 Satz 3 BGB). Das Risiko, dass sich dieser Rückzahlungsanspruch nicht mehr realisieren lässt, hat die Erbin zu tragen gehabt.

Diese Entscheidung und die Wertung des Gesetzgebers ist aus Sicht der Pflichtteilsberechtigten zu begrüßen, aus Sicht der Erbin verständlicherweise nicht. Denn sie muss nun einen Pflichtteilsanspruch auf Basis eines Nettonachlasswertes zahlen, der möglicherweise gar nicht in diesem Umfang vorhanden ist. Allerdings schützt das Gesetz die enterbten nahen Abkömmlinge des Erblassers ganz besonders, damit eben nicht durch ein mögliches Bestreiten von Nachlassverbindlichkeiten seitens der Erben versucht werden kann, den Pflichtteilsanspruch auszuhöhlen bzw. zu minimieren.

Sind Sie enterbt worden und überlegen, den Pflichtteil geltend zu machen oder werden gegen Sie als (Allein-)Erben Pflichtteilsansprüche geltend gemacht? Oder haben Sie Fragen zu sonstigen erbrechtlichen Themen, zu Ihren Rechten, aber auch Ihren Pflichten? Vereinbaren Sie gern einen Termin. Wir sind per E-Mail unter Willkommen@GWGL-Hamburg.de oder telefonisch unter 040/300 39 86-0 für Sie da.

 

Über die Autorin

Kristin Winkler Fachanwältin für Erbrecht und Steuerrecht

Kristin Winkler Fachanwältin für Erbrecht und Steuerrecht, LL.M.

Rechtsanwältin

  • Fachanwältin für Erbrecht
  • Fachanwältin für Steuerrecht

Tel.: 040 / 300 39 86 - 0

Fax: 040 / 300 39 86 – 66

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