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Nachlassverbindlichkeiten im Erbschaftsteuerrecht: Abzugsfähigkeit und aktuelle Entwicklungen

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Nachlassverbindlichkeit im Erbschaftsteuerrecht: Abzugsfähigkeit und aktuelle Entwicklungen

Die Abziehbarkeit von Nachlassverbindlichkeiten spielt in der erbschaftsteuerlichen Praxis eine zentrale Rolle. Nach § 10 ErbStG sind vom steuerpflichtigen Erwerb verschiedene Arten von Schulden abzuziehen – abhängig davon, ob sie vom Erblasser herrühren, erst durch den Erbfall selbst begründet werden oder nachträglich im Zusammenhang mit der Nachlassregelung entstehen. Voraussetzung ist dabei stets eine wirtschaftliche Belastung des Erwerbers. Die aktuelle Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) konkretisiert und begrenzt den Abzug in mehreren Punkten.

1. Vom Erblasser herrührende Schulden (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG)

Schulden, die bereits zu Lebzeiten des Erblassers entstanden sind, können nur dann abgezogen werden, wenn sie am Stichtag der Steuerentstehung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) bestanden und auf den Erblasser zurückzuführen sind. Darüber hinaus muss eine tatsächliche wirtschaftliche Last vorliegen. Der BFH stellt klar, dass eine Schuld steuerlich nicht zu berücksichtigen ist, wenn objektiv nicht zu erwarten ist, dass der Gläubiger sie jemals geltend machen wird (BFH v. 24.03.1999).

Dies betrifft auch Fälle betagter Vermächtnisse oder gestundeter Pflichtteilsverbindlichkeiten, bei denen eine Belastung im Zeitpunkt des Erwerbs noch nicht gegeben ist. Der BFH lehnt z. B. bei Pflichtteilsverbindlichkeiten, die erst beim Tod des Erben fällig werden, eine wirtschaftliche Belastung ab.

Bei Pflegeleistungen durch den Erwerber ist entscheidend, ob ein schuldrechtlicher Anspruch gegenüber dem Erblasser bestand. Der BFH hat mit Urteil vom 22.09.1994 die Abziehbarkeit anerkannt, wenn ein entgeltlicher Pflegevertrag bestand oder aus dem Verhalten ein solcher abgeleitet werden kann. Ist die Vergütung nicht bestimmt, erfolgt die Bewertung nach § 612 BGB.

Eine gesetzliche Neuerung betrifft den Ausgleich zwischen Steuererstattungsansprüchen und Steuerschulden des Erblassers im Todesjahr (§ 10 Abs. 1 S. 3 ErbStG). Damit wird die asymmetrische Behandlung vermieden, die sich aus der sonstigen Stichtagsregelung des ErbStG ergibt. Für Steuerberatungskosten gilt das Verursacherprinzip: Nur Aufwendungen, die noch zu Lebzeiten des Erblassers angefallen sind, können abgezogen werden. Steuerberatungskosten für die Erstellung der Einkommensteuererklärung des Erblassers gelten als Schulden im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG, soweit sie auf dessen Initiative zurückgehen. Dagegen sind Aufwendungen, die dem Erben im Zusammenhang mit der Berichtigung früherer Erklärungen oder der Nacherklärung hinterzogener Steuern des Erblassers entstehen, als Nachlassregelungskosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG abziehbar.

Beauftragt der Erbe eine Steuerberatung zur Klärung vom Erblasser herrührender Steuerschulden, können die daraus resultierenden Kosten ebenfalls als Erblasserschulden nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG berücksichtigt werden – vorausgesetzt, sie stehen in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen. Sie gelten in diesem Fall nicht als bloße Nachlassverwaltungskosten, auch wenn sie erst durch die Entscheidung des Erben veranlasst wurden.

In Fällen der Grundstücksschenkung unter Lebenden mit Grundschulden ist ein Abzug beim Beschenkten nur möglich, wenn dieser die Grundschuld auch persönlich übernimmt. Die bloße dingliche Belastung genügt nicht.

2. Durch den Erbfall begründete Verbindlichkeiten (§ 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG)

Zu den durch den Erbfall entstehenden Nachlassverbindlichkeiten zählen insbesondere Vermächtnisse, Auflagen sowie geltend gemachte Pflichtteils- und Erbersatzansprüche. Maßgeblich für deren Abziehbarkeit ist ebenfalls eine wirtschaftliche Belastung des Erben. Eine tatsächliche Geltendmachung ist jedoch nicht erforderlich – allein die rechtliche Entstehung genügt, etwa bei einem Vermächtnis i.S.d. § 1939 BGB.

Vermächtnisse werden je nach Art unterschiedlich bewertet: Geldvermächtnisse mit dem Nennwert, Sachvermächtnisse mit dem Steuerwert, andere – etwa Wahl-, Gattungs- oder Verschaffungsvermächtnisse – nach gemeinem Wert bzw. bei Bedingungseintritt. Beim sog. Supervermächtnis ist eine besondere Prüfung der Belastung erforderlich, insbesondere wenn der Erbe Auswahlentscheidungen trifft. Ein Supervermächtnis bezeichnet die testamentarische Gestaltung, bei der der Erblasser dem Erben oder einem Dritten die Entscheidungsbefugnis darüber einräumt, welcher Vermächtnisnehmer welchen Gegenstand zu welchem Zeitpunkt erhalten soll.

Auch Auflagen sind sofort abzugsfähig, unabhängig davon, ob der Begünstigte sie bereits geltend gemacht hat. Entscheidend ist allein, dass sie eine wirtschaftliche Last darstellen.

Pflichtteilsansprüche sind für den Berechtigten erst mit ihrer Geltendmachung steuerpflichtig (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1b ErbStG). Für den Erben ist die Pflichtteilsverbindlichkeit hingegen rückwirkend zum Todestag abzugsfähig, sofern eine ernsthafte Inanspruchnahme erfolgt. Selbst bei Verjährung kann der Abzug noch geltend gemacht werden, wenn der Erbe den Anspruch faktisch erfüllt. Nicht abzugsfähig ist ein zinslos gestundeter Pflichtteil mangels Belastungswirkung. Besonders zu beachten ist der Fall der Konfusion. Konfusion bezeichnet das Erlöschen eines Schuldverhältnisses infolge des Zusammenfallens von Gläubiger- und Schuldnerstellung in derselben Person. Geht hierbei der Pflichtteilsanspruch auf den Alleinerben des Verpflichteten über, bleibt der Abzug steuerlich möglich (§ 10 Abs. 3 ErbStG).

3. Kosten für Bestattung, Nachlassregelung und -verteilung (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG)

Als dritte Kategorie nennt § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG Erwerbsaufwendungen, die unmittelbar im Zusammenhang mit dem Erbfall stehen. Hierunter fallen die Kosten der Bestattung, für ein angemessenes Grabdenkmal, die übliche Grabpflege sowie sämtliche Aufwendungen zur Abwicklung und Verteilung des Nachlasses oder zur Erlangung des Erwerbs.

Bestattungskosten umfassen z. B. Ausgaben für Bestatter, Überführung, Trauerfeier, Anzeigen oder Reisekosten der Angehörigen. Auch wenn die Bestattung durch eine vom Erblasser abgeschlossene Versicherung erfolgt, liegt ein abzugsfähiger Sachleistungsanspruch vor (BFH v. 10.07.2024). Grabpflege- und Grabdenkmalkosten sind abzugsfähig, sofern sie ortsüblich und dem sozialen Status des Erblassers entsprechend sind.

Weitere abzugsfähige Regelungskosten sind u. a. Gebühren für Testamentseröffnung, Erbschein, Erbenermittlung, Grundbuchberichtigung, Pflichtteilsstreitigkeiten oder Steuerberatung bei der Erstellung der Erbschaftsteuererklärung. Auch Testamentvollstreckerkosten sind abziehbar, sofern sie sich auf die Abwicklung beschränken. Verwaltungs- und Dauervollstreckungskosten sind jedoch nicht begünstigt.

Nicht abzugsfähig sind hingegen reine Nachlassverwaltungskosten wie die Renovierung von Immobilien, Forderungseinzug oder Umschichtung von Nachlasswerten (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 3 ErbStG). Auch Prozesskosten zur Abwehr der eigenen Erbschaftsteuerpflicht unterfallen dem Abzugsverbot des § 10 Abs. 8 ErbStG.

Bei Schenkungen unter Lebenden sind Erwerbsnebenkosten ebenfalls abzugsfähig, wenn sie im engen Zusammenhang mit dem Erwerb stehen (z. B. Steuerberatung, Rechtsbehelfe, Gutachten; vgl. H E 10.7 ErbStH).

Fazit:

Die korrekte erbschaftsteuerliche Berücksichtigung von Nachlassverbindlichkeiten setzt eine präzise Prüfung der Anspruchsgrundlage und der wirtschaftlichen Belastung voraus. Insbesondere aktuelle Rechtsprechung und gesetzliche Neuerungen – etwa zur Behandlung von Pflegeleistungen, Steuererstattungen oder betagten Vermächtnissen – zeigen, dass eine differenzierte und sorgfältige Aufbereitung in der Praxis unerlässlich ist. Zugleich bietet § 10 ErbStG zahlreiche Gestaltungsspielräume, die sowohl für steueroptimierende Testamentsgestaltung als auch für die Abwehr unangemessener Steuerbelastungen relevant sind.

Sollten Sie Fragen haben oder rechtliche Unterstützung im Erbschaftsteuerrecht benötigen,  stehen Ihnen unsere Fachanwälte für das Steuerrecht und Steuerberater gerne unterstützend zur Seite.

Über den Autor

Matthias E. Grimme Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater, Fachberater für Unternehmensnachfolge (DStV e.V)

Rechtsanwalt, Steuerberater

  • Fachanwalt für Steuerrecht
  • Fachberater für Unternehmensnachfolge (DStV e.V.)

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