E-Mail Fax Te­le­fon

An­for­de­run­gen an die Auf­stel­lung eines Nach­lass­ver­zeich­nis­ses durch einen be­auf­trag­ten Notar

Teasergrafik zum Beitrag im Blog für Erbrecht, Steuerrecht und Gesellschaftsrecht

An­for­de­run­gen an die Auf­stel­lung eines Nach­lass­ver­zeich­nis­ses durch einen be­auf­trag­ten Notar

In einem Rechts­streit zwi­schen Erbin und Ver­mächt­nis­neh­me­rin­nen, wel­cher sämt­li­che In­stan­zen durch­lief, eine be­gehr­te Zwangs­voll­stre­ckung samt Voll­stre­ckungs­ab­wehr­kla­ge be­inhal­te­te, mün­de­te die final ein­ge­leg­te Rechts­be­schwer­de in einer ab­schlie­ßen­den Ent­schei­dung vor dem Bun­des­ge­richts­hof (Az.: I ZB 40/23).

Mit Be­schluss vom 7. März 2024 stell­te der BGH klar, dass die An­for­de­run­gen an ein no­ta­ri­el­les Nach­lass­ver­zeich­nis zur Er­fül­lung der Pflicht eines Erben ge­gen­über Pflicht­teils­be­rech­tig­ten nicht gren­zen­los sind, son­dern dass die Pflicht eines No­tars zur Er­mitt­lung von Nach­lass­ge­gen­stän­den und die Pflicht der Erben zur Mit­wir­kung bei die­ser Er­mitt­lung immer nur dann be­grün­det sind, wenn es kon­kre­te Hin­wei­se zu wei­te­ren mög­li­chen Nach­lass­ge­gen­stän­den gibt.

Dem viel­schich­ti­gen und kom­pli­zier­ten Ver­fah­ren lag fol­gen­der Sach­ver­halt zu­grun­de:

Die Erb­las­se­rin setz­te ihre über­le­ben­de Toch­ter als Al­lein­er­bin ein und ver­mach­te ihren zwei En­ke­lin­nen, den Töch­tern ihrer vor­ver­stor­be­nen zwei­ten Toch­ter, eine Im­mo­bi­lie in Ös­ter­reich.

Die En­ke­lin­nen waren der An­sicht, gegen ihre Tante Pflicht­teils- bzw. Pflicht­teil­s­er­gän­zungs­an­sprü­che gel­tend ma­chen zu kön­nen. In den vor­an­ge­gan­ge­nen In­stan­zen be­gehr­te eine der En­ke­lin­nen die Vor­la­ge eines Ver­zeich­nis­ses über Schen­kun­gen der Erb­las­se­rin und beide En­ke­lin­nen zu­sam­men die Vor­la­ge eines Nach­lass­ver­zeich­nis­ses.

Ein sol­ches Nach­lass­ver­zeich­nis und eine wei­te­re Er­gän­zung zu die­sem legte die Erbin in der Fol­ge­zeit dann auch vor, der Kla­ge­an­trag hin­sicht­lich einer Über­sicht zu wei­te­ren Schen­kun­gen wurde als un­be­grün­det ab­ge­wie­sen. Die Ver­mächt­nis­neh­me­rin­nen und Pflicht­teils­be­rech­tig­ten waren je­doch stets der Auf­fas­sung, das Nach­lass­ver­zeich­nis würde nicht den An­for­de­run­gen an die Aus­kunfts­pflicht der Erbin ge­nü­gen, wor­auf­hin sie meh­re­re Recht­be­hel­fe und schließ­lich auch die Rechts­be­schwer­de zum BGH ein­leg­ten.

Der BGH ent­schied über die zu­läs­si­ge Rechts­be­schwer­de wie folgt:

Die Rechts­be­schwer­de der Ver­mächt­nis­neh­me­rin­nen sei un­be­grün­det, das vor­in­stanz­li­che Be­schwer­de­ge­richt hat zu­recht den An­trag, in das Ver­mö­gen der Erbin zu voll­stre­cken, als un­be­grün­det ab­ge­wie­sen.

Wie das Be­schwer­de­ge­richt zuvor sah auch der BGH die Aus­kunfts­pflicht der Erbin durch Vor­la­ge des Nach­lass­ver­zeich­nis­ses als er­füllt an, womit sie der be­gehr­ten Zwangs­voll­stre­ckung durch die Schwes­tern wirk­sam ent­ge­gen­tre­ten konn­te. Die Erbin habe ihre zuvor ge­richt­lich ti­tu­lier­te Pflicht zur Vor­la­ge eines Nach­lass­ver­zeich­nis­ses be­reits voll­stän­dig er­füllt, wes­halb es kei­nen An­spruch mehr gebe, wel­cher noch voll­streckt wer­den könn­te.

Die Schwes­tern führ­ten in ihren Aus­füh­run­gen zur be­gehr­ten Zwangs­voll­stre­ckung und zur Un­voll­stän­dig­keit des Nach­lass­ver­zeich­nis­ses aus, dass letz­te­res keine An­ga­ben zu wei­te­ren Kon­ten der Erb­las­se­rin bei Ban­ken oder Spar­kas­sen in Ös­ter­reich als die ein­zig an­ge­ge­be­nen ent­hielt sowie dass das Ver­zeich­nis keine An­ga­ben zu wei­te­ren Schen­kun­gen durch die Erb­las­se­rin in den letz­ten zehn Jah­ren vor ihrem Tod auf­wies.

Der Um­fang der Pflicht zur Aus­kunfts­er­tei­lung und Vor­la­ge eines no­ta­ri­el­len Nach­lass­ver­zeich­nis­ses be­misst sich nach dem BGH grund­sätz­lich wie folgt:

Wird ein Notar zum Er­stel­len eines Nach­lass­ver­zeich­nis­ses be­ru­fen, so sei er in der Aus­ge­stal­tung des Ver­fah­rens zur Er­stel­lung des Ver­zeich­nis­ses weit­ge­hend frei. Er müsse zu­nächst von der Aus­kunft der Erben als Grund­la­ge aus­ge­hen und so­dann et­wai­ge ei­ge­ne Nach­for­schun­gen, die ein „ob­jek­ti­ver Drit­ter in der Lage des Gläu­bi­gers für er­for­der­lich hal­ten würde“ durch­füh­ren. Der Notar habe unter Um­stän­den die Erben zur er­for­der­li­chen Mit­wir­kung bei der Be­schaf­fung der In­for­ma­tio­nen über den Nach­lass auf­zu­for­dern.

Ein Notar muss also bei der Er­stel­lung eines Nach­lass­ver­zeich­nis­ses ei­ge­ne Nach­for­schun­gen be­mü­hen, um den ge­sam­ten Nach­lass zu er­mit­teln.

Nach dem BGH geht diese Pflicht zur Er­for­schung aber nicht über das ob­jek­tiv Er­for­der­li­che hin­aus: der Notar müsse nur dann wei­te­re Nach­for­schun­gen an­stre­ben, wenn er kon­kre­te An­halts­punk­te für mög­li­che wei­te­re Nach­lass­ge­gen­stän­de er­hält, bei­spiels­wei­se durch An­ga­ben der Erben selbst, an­de­rer be­frag­ter Per­so­nen oder wenn er sol­che An­halts­punk­te aus vor­lie­gen­den Un­ter­la­gen ent­neh­men kann. Er sei aber ge­ra­de nicht ver­pflich­tet, „ohne kon­kre­te An­halts­punk­te in alle denk­ba­ren Rich­tun­gen zu er­mit­teln, um wei­te­res Nach­lass­ver­mö­gen auf­zu­spü­ren“.

Im kon­kre­ten Fall traf den Notar daher auch keine Pflicht, nach wei­te­ren po­ten­zi­el­len Kon­ten der Erb­las­se­rin zu for­schen, wenn es doch gar keine An­halts­punk­te für das Be­ste­hen sol­cher Kon­ten gab. Ab­ge­se­hen davon sei der Notar im vor­lie­gen­den Fall auch gar nicht dazu er­mäch­tigt ge­we­sen, auf sol­che Kon­to­stamm­da­ten zu­zu­grei­fen; einen sol­chen Ein­griff in das Recht auf in­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung könn­te nur ein Ge­richts­voll­zie­her unter stren­gen Vor­aus­set­zun­gen bei der Voll­stre­ckung von Geld­for­de­run­gen durch­füh­ren.

Im hie­si­gen Fall hät­ten ins­be­son­de­re die bei­den Schwes­tern als Pflicht­teils­be­rech­tig­te keine kon­kre­ten An­ga­ben zu wei­te­ren Kon­ten ge­macht, die Be­stand­teil des Nach­las­ses hät­ten sein kön­nen. Eine bloße Ver­mu­tung, die An­ga­ben der Erbin seien un­voll­stän­dig sowie die bloße Ver­mu­tung, dass noch wei­te­re Kon­ten be­ste­hen könn­ten, rei­chen nicht aus!

Bloße Mut­ma­ßun­gen ma­chen wei­te­re Er­mitt­lun­gen nicht er­for­der­lich.

Auch die Erbin selbst sei man­gels kon­kre­ter An­halts­punk­te nicht zur wei­te­ren Mit­wir­kung zur Nach­for­schung nach wei­te­ren Nach­lass­ver­mö­gen ver­pflich­tet ge­we­sen.

Es be­ste­he auch nicht die wei­te­re Ver­pflich­tung, Schen­kun­gen der Erb­las­se­rin in das Nach­lass­ver­zeich­nis auf­zu­neh­men, denn im hie­si­gen Fall wurde ge­ra­de die­ser gel­tend ge­mach­te Klag­an­trag durch das Ge­richt als un­be­grün­det ab­ge­wie­sen und auch der ti­tu­lier­ten Ver­pflich­tung zur Vor­la­ge eines Nach­lass­ver­zeich­nis­ses könne nicht die zu­sätz­li­che Pflicht zur An­ga­be von durch die Erb­las­se­rin zuvor ge­tä­tig­ten Schen­kun­gen als Be­st­an­teil eines „fik­ti­ven Nach­las­ses“ ent­nom­men wer­den.

Pra­xis­hin­weis: Die Er­stel­lung eines Nach­lass­ver­zeich­nis­ses ist an keine un­über­wind­ba­ren An­for­de­run­gen ge­bun­den. Es kann nicht Aus­kunft über jed­we­de be­haup­te­te Nach­lass­sa­che vom Pflicht­teils­be­rech­tig­ten ver­langt wer­den.

Sind Sie selbt Pflicht­teils­be­rech­tig­ter oder müs­sen als Erbe eine Aus­kunfts­pflicht er­fül­len? Wir be­ra­ten und be­glei­ten Sie in erbrecht­li­chen Strei­tig­kei­ten und sind per E-Mail unter will­kom­men@​gwgl-​hamburg.​de oder te­le­fo­nisch unter 040/300 39 86-0 für Sie da und freu­en uns, von Ihnen zu hören oder zu lesen.

Über die Au­to­rin

Kris­tin Wink­ler Fach­an­wäl­tin für Erbrecht und Steu­er­recht, LL.M.

Rechts­an­wäl­tin

  • Fachanwältin für Erbrecht
  • Fachanwältin für Steuerrecht

Tel.: 040 / 300 39 86 - 0

Fax: 040 / 300 39 86 – 66

Back to Top