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Pflicht­teils­ent­zug: Hohe for­ma­le und in­halt­li­che An­for­de­run­gen

Pflicht­teils­ent­zug: Hohe for­ma­le und in­halt­li­che An­for­de­run­gen

Teasergrafik zum Beitrag im Blog für Erbrecht, Steuerrecht und Gesellschaftsrecht

Pflicht­teils­ent­zug: Hohe for­ma­le und in­halt­li­che An­for­de­run­gen

Das LG Fran­ken­thal hat in sei­nem Ur­teil vom 11. März 2021 (Az.: 8 O 308/20) ent­schie­den, dass für einen wirk­sa­men Ent­zug des Pflicht­teils for­mal und in­halt­lich hohe An­for­de­run­gen zu er­fül­len sind. Es ge­nü­ge für eine wirk­sa­me Pflicht­teils­ent­zie­hung nicht, dass ein Tes­tie­ren­der in sei­ner letzt­wil­li­gen Ver­fü­gung einen Ent­zie­hungs­grund mit­teilt. Dies sei le­dig­lich in for­mel­ler Hin­sicht Vor­aus­set­zung für die Wirk­sam­keit einer Pflicht­teils­ent­zie­hung. Es än­de­re aber nichts daran, dass die­ser Grund in tat­säch­li­cher Hin­sicht auch be­ste­hen und nach­ge­wie­sen wer­den muss.

Dem Be­schluss liegt fol­gen­der Sach­ver­halt zu Grun­de:

Der Klä­ger ist der ein­zi­ge Ab­kömm­ling der Erb­las­se­rin und ihres vor­ver­stor­be­nen Ehe­manns. Die Erb­las­se­rin hatte in ihrem no­ta­ri­el­len Tes­ta­ment den Be­klag­ten, einen Ver­ein, als ihren Al­lein­er­ben ein­ge­setzt.

Am 6. De­zem­ber 1996 er­eig­ne­te sich der im Her­gang strei­ti­ge Vor­fall, der die Pflicht­teils­ent­zie­hung be­grün­den soll­te. Es kam zu einer tät­li­chen Aus­ein­an­der­set­zung zwi­schen der Erb­las­se­rin und dem Klä­ger, bei der die Erb­las­se­rin sich eine Schä­del­prel­lung zuzog. So­wohl Klä­ger als auch Erb­las­se­rin, lie­ßen sich im Kran­ken­haus be­han­deln und er­stat­te­ten ge­gen­sei­tig Straf­an­zei­ge. Das Straf­ver­fah­ren wurde im Nach­hin­ein ohne nä­he­re Auf­klä­rung des Sach­ver­halts ein­ge­stellt.

Am 8. April 1997 er­rich­te­ten die Erb­las­se­rin und ihr Ehe­mann, Vater des Klä­gers, einen no­ta­ri­el­len Erb­ver­trag, in wel­chem sie sich ge­gen­sei­tig als Al­lein­er­ben ein­setz­ten und die Toch­ter des Klä­gers als Schlus­s­er­ben be­stimm­ten. Sie be­hiel­ten es dem Län­ger­le­ben­den aus­drück­lich vor, dass die­ser die Schlus­s­er­bein­set­zung wi­der­ru­fen könne. Dies tat die Erb­las­se­rin dann mit Tes­ta­ment vom 11. Ok­to­ber 2019.

In dem Erb­ver­trag von 1997 ord­ne­ten die Ehe­leu­te den Pflicht­teils­ent­zug an, so­wohl für den Erb­fall des Erst­ver­stor­be­nen als auch den des Letzt­ver­ster­ben­den. Sie be­grün­de­ten den Ent­zug damit, dass am 6. De­zem­ber 1996 gegen 19:00 Uhr der Sohn seine Mut­ter mehr­fach mit der fla­chen Hand ins Ge­sicht ge­schla­gen habe. In­fol­ge der Schlä­ge seien bei der Mut­ter Übel­keit und eine kurze Be­wusst­lo­sig­keit ein­ge­tre­ten. Der be­han­deln­de Arzt habe spä­ter eine Schä­del­prel­lung fest­ge­stellt. Sie füg­ten dem Erb­ver­trag die po­li­zei­li­che Be­stä­ti­gung über die Er­stat­tung einer Straf­an­zei­ge vom 8. De­zem­ber 1996 sowie das At­test des be­han­deln­den Arz­tes vom 6. De­zem­ber 1996 als An­la­ge bei.

Nach­dem der Vater vor­ver­starb, kam es zwi­schen der Erb­las­se­rin und dem Klä­ger zu einem Pflicht­teils­pro­zess, der in einem Ver­gleich en­de­te.

Nun nimmt der Klä­ger den Be­klag­ten als Al­lein­er­ben auf Pflicht­teils­er­fül­lung aus dem Erbe der Mut­ter, der Letzt­ver­stor­be­nen, in An­spruch.

Der Klä­ger trägt vor, der Pflicht­teils­ent­zug sei man­gels eines den Pflicht­teils­ent­zug recht­fer­ti­gen­den Grun­des un­wirk­sam. Der Vor­fall sei falsch dar­ge­stellt; die Aus­ein­an­der­set­zung sei von der Mut­ter aus­ge­gan­gen.

Der Be­klag­te trägt vor, dass Hin­ter­grund der da­ma­li­gen Aus­ein­an­der­set­zung ein hoher Kre­dit der El­tern für die Fi­nan­zie­rung des Stu­di­ums des Soh­nes ge­we­sen sei. Die­ser habe das Stu­di­um ab­ge­bro­chen und das Geld ver­prasst.

Das Land­ge­richt gab der Klage statt, der Be­klag­te müsse dem Klä­ger den 50-pro­zen­ti­gen Pflicht­teil zah­len.

Nach § 2333 Nr. 2 BGB kann der Erb­las­ser einem Ab­kömm­ling den Pflicht­teil ent­zie­hen, wenn der Ab­kömm­ling sich eines Ver­bre­chens oder eines schwe­ren vor­sätz­li­chen Ver­ge­hens gegen eine der in Num­mer 1 be­zeich­ne­ten Per­so­nen, also ge­gen­über dem Erb­las­ser, dem Ehe­gat­ten des Erb­las­sers, einem an­de­ren Ab­kömm­ling oder einer dem Erb­las­ser ähn­lich na­he­ste­hen­den Per­son, schul­dig macht. Es ge­nügt eine leich­te vor­sätz­li­che kör­per­li­che Miss­hand­lung, so­fern das Ver­hal­ten des Ab­kömm­lings zu­sätz­lich eine schwe­re Pie­täts­ver­let­zung, eine „schwe­re Ver­let­zung der dem Erb­las­ser ge­schul­de­ten fa­mi­liä­ren Ach­tung“, zum Aus­druck bringt.

Neben der Ent­zie­hungs­er­klä­rung gemäß § 2336 Abs. 1 BGB muss auch die An­ga­be eines zu­tref­fen­den Kern­sach­ver­halts in dem Tes­ta­ment vor­lie­gen. Es kommt auf eine ge­wis­se Kon­kre­ti­sie­rung der Grün­de an, auf die der Erb­las­ser die Ent­zie­hung stüt­zen will. Dabei muss keine recht­li­che Ein­ord­nung er­fol­gen.

Die Ent­zie­hung des Pflicht­teils sei al­ler­dings schon aus die­sen for­ma­len Grün­den un­wirk­sam. Das maß­geb­li­che Fehl­ver­hal­ten müsse im Tes­ta­ment ein­deu­tig ge­schil­dert sein. Damit sei zu ver­hin­dern, dass nach­träg­lich wei­te­re Grün­de nach­ge­scho­ben wer­den. Die Ehe­leu­te hat­ten in dem Erb­ver­trag ge­ra­de nicht fest­ge­hal­ten, was zu der Aus­ein­an­der­set­zung ge­führt habe und wel­che Fol­gen dies ge­habt habe. Dies hatte der Be­klag­te in der münd­li­chen Ver­hand­lung dann aus sei­ner Sicht ge­schil­dert.

Selbst wenn man den Ent­zie­hungs­grund als aus­rei­chend an­se­hen woll­te, würde dies nicht zur Kla­ge­ab­wei­sung füh­ren. Denn die dem Klä­ger zur Last ge­leg­ten kör­per­li­chen Über­grif­fe ge­gen­über der Erb­las­se­rin kön­nen nicht fest­ge­stellt wer­den. Die Be­weis­last für den Ent­zie­hungs­grund ob­liegt gemäß § 2336 Abs. 3 BGB dem­je­ni­gen, wel­cher die Ent­zie­hung gel­tend macht. Dies könne in die­sem Fall der Ver­ein nicht er­brin­gen, da sich der Ent­zie­hungs­grund in tat­säch­li­cher Hin­sicht nicht nach­wei­sen lässt. Al­lein die Tat­sa­che, dass Tes­tie­ren­de in ihrer letzt­wil­li­gen Ver­fü­gung einen Sach­ver­halt be­schrei­ben bzw. dem be­ur­kun­den­den Notar mit­tei­len, be­weist nicht, dass sich die­ser in tat­säch­li­cher Hin­sicht auch so zu­ge­tra­gen hat.

Der Be­richt aus dem Kran­ken­haus bzw. des Arz­tes kann den Be­weis nicht er­brin­gen, da nach Aus­sa­ge des Klä­gers die­ser, in einer Art Not­wehr­si­tua­ti­on, die Erb­las­se­rin von sich weg­ge­sto­ßen habe, so­dass diese sich auch hier­durch eine Schä­del­prel­lung zu­ge­zo­gen haben kann, die dann spä­ter vom sie un­ter­su­chen­den Arzt at­tes­tiert wurde.

Es be­darf also neben der Ent­zie­hungs­er­klä­rung, die An­ga­be eines Grun­des, wel­cher so­dann einen Sach­ver­halt schil­dert. Aus die­sem muss sich das Fehl­ver­hal­ten ein­deu­tig ent­neh­men las­sen. Da­ne­ben haben Erb­las­ser zu Leb­zei­ten auch die Mög­lich­keit die Be­rech­ti­gung zur Ent­zie­hung des Pflicht­teils im Wege einer Fest­stel­lungs­kla­ge fest­stel­len zu las­sen. Damit lässt sich eine spä­te­re Be­weis­not des Erben ver­mei­den, der sich auf die Pflicht­teils­ent­zie­hung stüt­zen will und deren Vor­aus­set­zun­gen im Streit­fall be­wei­sen muss.

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