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Pa­ti­en­ten­ver­fü­gung: Be­schluss des BGH vom 14. No­vem­ber 2018 – Han­deln Sie!

Pa­ti­en­ten­ver­fü­gung: Be­schluss des BGH vom 14. No­vem­ber 2018 – Han­deln Sie!

Teasergrafik zum Beitrag im Blog für Erbrecht, Steuerrecht und Gesellschaftsrecht

Pa­ti­en­ten­ver­fü­gung: Be­schluss des BGH vom 14. No­vem­ber 2018 – Han­deln Sie!

Der Bun­des­ge­richts­hof hat im No­vem­ber 2018 ent­schie­den, wel­che An­for­de­run­gen eine Pa­ti­en­ten­ver­fü­gung im Hin­blick auf den Ab­bruch le­bens­er­hal­ten­der Maß­nah­men er­fül­len muss (BGH, Be­schluss vom 14. 11. 2018, Az.: XII ZB 107/18). In die­sem kon­kre­ten Fall be­deu­tet dies nun, dass die be­trof­fe­ne Pa­ti­en­tin, nach jah­re­lan­gem Wach­ko­ma und Streit zwi­schen be­teil­tig­ten Fa­mi­li­en­mit­glie­dern ster­ben darf.

Zum Fall:
Be­tei­lig­te des Ver­fah­rens waren der Ehe­mann der Be­trof­fe­nen auf der einen sowie der Sohn der Be­trof­fe­nen auf der an­de­ren Seite. Beide wur­den durch das zu­stän­di­ge Amts­ge­richt im Jahr 2012 als al­lein­ver­tre­tungs­be­rech­tig­te Be­treu­er der Be­trof­fe­nen be­stellt.

Die Be­trof­fe­ne hatte im Jahr 1998 eine Pa­ti­en­ten­ver­fü­gung er­stellt. Hier­in legte sie fest, dass le­bens­ver­län­gern­de Maß­nah­men u.a. dann un­ter­blei­ben sol­len, wenn „keine Aus­sicht auf Wie­der­er­lan­gung des Be­wusst­seins“ be­ste­he oder „auf­grund von Krank­heit oder Un­fall ein schwe­rer Dau­er­scha­den des Ge­hirns“ zu­rück­blei­be. In den dar­auf­fol­gen­den Jah­ren äu­ßer­te die Be­trof­fe­ne auf Grund zwei­er Wach­ko­ma-Fäl­le in ihrem Um­feld zudem mehr­fach ge­gen­über ver­schie­de­nen Fa­mi­li­en­mit­glie­dern und Be­kann­ten, dass sie nicht künst­lich er­nährt und da­durch am Leben er­hal­ten wer­den wolle. Sie habe mit einer ent­spre­chen­den Pa­ti­en­ten­ver­fü­gung vor­ge­sorgt.

Die Be­trof­fe­ne er­litt im Alter von 68 Jah­ren im Jahr 2008 einen Schlag­an­fall. Hier­nach hatte sie ein­ma­lig die Mög­lich­keit zu spre­chen und teil­te ihrer The­ra­peu­tin mit, dass sie ster­ben möch­te. Kurz dar­auf er­litt die Be­trof­fe­ne einen Herz-Kreis­lauf­still­stand. Seit­dem be­fin­det sie sich in einem wach­ko­mat­ö­sen Zu­stand und wird über eine Ma­gen­son­de künst­lich er­nährt sowie mit Flüs­sig­keit ver­sorgt.

Ihr Sohn ist der Mei­nung, die künst­li­che Er­näh­rung und Flüs­sig­keits­zu­fuhr solle auf­grund des in der Pa­ti­en­ten­ver­fü­gung nie­der­ge­leg­ten Wil­lens der Be­trof­fe­nen ein­ge­stellt wer­den. Ihr Ehe­mann lehnt dies ab.

Das Amts­ge­richt lehn­te den An­trag der Be­trof­fe­nen, ver­tre­ten durch ihren Sohn, auf Ge­neh­mi­gung der Ein­stel­lung der künst­li­chen Er­näh­rung und Flüs­sig­keits­zu­fuhr ab. Die da­ge­gen ge­rich­te­te Be­schwer­de der Be­trof­fe­nen hatte das Land­ge­richt zu­nächst zu­rück­ge­wie­sen. Die Strei­tig­keit ging wei­ter zum BGH, der im Jahr 2017 (BGH, Be­schluss vom 8. Fe­bru­ar 2017, Az.: XII ZB 604/15) ent­schied, dass bei Vor­lie­gen be­stimm­ter Krank­hei­ten oder Be­hand­lungs­si­tua­tio­nen eine Pa­ti­en­ten­ver­fü­gung kon­kret genug sein kann, auch wenn ärzt­li­che Maß­nah­men nicht ganz de­tail­liert be­schrie­ben sind. Hier­für sei je­doch gut­ach­ter­lich zu klä­ren, ob es eine Chan­ce gibt, dass die Be­trof­fe­ne wie­der zu Be­wusst­sein kommt. Dar­auf­hin be­auf­trag­te das Land­ge­richt die Er­stel­lung eines Gut­ach­tens, wel­ches zu dem Er­geb­nis kam, dass bei der Be­trof­fe­nen die Funk­tio­nen des Groß­hirns ir­re­ver­si­bel aus­ge­löscht sind.

Das Land­ge­richt hat die Be­schwer­de der Be­trof­fe­nen nun mit der Maß­ga­be zu­rück­ge­wie­sen, dass eine ge­richt­li­che Ge­neh­mi­gung nicht er­for­der­lich sei (sog. Ne­ga­tiv-at­test). Die hier­ge­gen ge­rich­te­te Rechts­be­schwer­de des Ehe­manns der Be­trof­fe­nen hatte kei­nen Er­folg.

Der BGH geht davon aus, dass der Ab­bruch einer le­bens­er­hal­ten­den Maß­nah­me dann nicht der be­treu­ungs­ge­richt­li­chen Ge­neh­mi­gung nach § 1904 Abs. 2 BGB be­darf, wenn der Be­trof­fe­ne einen ent­spre­chen­den ei­ge­nen Wil­len be­reits in einer wirk­sa­men Pa­ti­en­ten­ver­fü­gung (§ 1901 a Abs. 1 BGB) nie­der­ge­legt habe und diese auf die ein­ge­tre­te­ne Le­bens- und Be­hand­lungs­si­tua­ti­on zu­tref­fe. Diese Ent­schei­dung sei dann bin­dend, so dass eine Ein­wil­li­gung des Be­treu­ers nicht er­for­der­lich sei.

Al­ler­dings ent­fal­te eine Pa­ti­en­ten­ver­fü­gung nur dann un­mit­tel­ba­re Bin­dungs­wir­kung, wenn nach­voll­zieh­bar ist, in wel­cher Be­hand­lungs­si­tua­ti­on wel­che ärzt­li­chen Maß­nah­men durch­ge­führt wer­den bzw. un­ter­blei­ben sol­len. Vor­aus­set­zung sei, dass der Be­trof­fe­ne um­schrei­bend fest­le­ge, was er in einer be­stimm­ten Le­bens- und Be­hand­lungs­si­tua­ti­on will und was nicht. Maß­geb­lich sei nicht, dass „der Be­trof­fe­ne seine ei­ge­ne Bio­gra­fie als Pa­ti­ent vor­aus­ahnt und die zu­künf­ti­gen Fort­schrit­te in der Me­di­zin vor­weg­neh­mend be­rück­sich­tigt“. Der BGH stell­te je­doch klar, dass all­ge­mei­ne An­wei­sun­gen, wie die Auf­for­de­rung, ein wür­de­vol­les Ster­ben zu er­mög­li­chen oder zu­zu­las­sen, wenn ein The­ra­pie­er­folg nicht mehr zu er­war­ten ist, nicht aus­rei­chend seien. Auch die Äu­ße­rung, „keine le­bens­er­hal­ten­den Maß­nah­men“ zu wün­schen, ent­hal­te je­den­falls für sich ge­nom­men keine hin­rei­chend kon­kre­te Be­hand­lungs­ent­schei­dung. Letzt­lich sei durch Aus­le­gung der Er­klä­run­gen zu er­mit­teln, ob eine hin­rei­chend kon­kre­te Pa­ti­en­ten­ver­fü­gung vor­liegt.

Im vor­lie­gen­den Fall kam der Senat so zur Auf­fas­sung, dass die Be­trof­fe­ne in ihrer Pa­ti­en­ten­ver­fü­gung hin­rei­chend kon­kret eine Le­bens- und Be­hand­lungs­si­tua­ti­on be­schrie­ben habe, in der die Pa­ti­en­ten­ver­fü­gung Gel­tung be­an­spru­chen soll und dass ein ein­deu­ti­ger Zu­stand schwers­ter, ir­re­ver­si­bler Ge­hirn­schä­di­gung vor­lie­ge. Somit sei die Pa­ti­en­ten­ver­fü­gung wirk­sam er­stellt und bin­dend.

Diese Ent­schei­dung wird jetzt von der Fa­mi­lie und den Ärz­ten um­ge­setzt wer­den müs­sen.

Für die Be­trof­fe­ne, deren Wille, durch den BGH fest­ge­stellt, hin­rei­chend kon­kret nie­der­ge­legt war, be­deu­tet dies, dass sie ster­ben darf. Wenn man sich dann über­legt, wie lange die Be­trof­fe­ne be­reits im Koma lag und die Fa­mi­lie über das Ein­stel­len von le­bens­er­hal­te­nen Maß­nah­men ge­strit­ten hat, zeigt sich der ge­sam­te Alp­traum der Si­tua­ti­on, den die Fa­mi­lie auf bei­den strei­ten­den Sei­ten über 10 Jahre hier er­lebt haben muss. Erst das ver­deut­licht das Aus­maß einer sol­chen Si­tua­ti­on.

Was aber be­deu­tet das für Sie? Han­deln Sie. Sor­gen Sie vor! Nut­zen Sie die Chan­ce, Ihren Wil­len in einer Pa­ti­en­ten­ver­fü­gung hin­rei­chend kon­kret nie­der­zu­le­gen, damit Ihre Fa­mi­lie und Sie nicht das Glei­che er­le­ben wie die Fa­mi­li­en, deren Schick­sa­le durch die Ent­schei­dun­gen des BGH in 2016 und jetzt in 2018 be­kannt wur­den.

Soll­ten Sie Fra­gen zur Er­stel­lung einer Pa­ti­en­ten­ver­fü­gung oder zur Wirk­sam­keit einer be­reits er­stell­ten Pa­ti­en­ten­ver­fü­gung haben?
Mel­den Sie sich gern – wir be­ra­ten Sie gern.

Über die Au­to­rin

Kris­tin Wink­ler Fach­an­wäl­tin für Erbrecht und Steu­er­recht, LL.M.

Rechts­an­wäl­tin

  • Fachanwältin für Erbrecht
  • Fachanwältin für Steuerrecht

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